TEMPLE MUSIC: The Unquiet Mind

Evia – oder wie man auf deutsch sagt: Euböa – ist die zweitgrößte Insel der griechischen Ägäis unweit der Provinz Attika und dem mittelgriechischen Festland. Es ist somit Teil einer unruhigen Region, in der sich seit Jahrtausenden die Wege vieler Kulturen und Machtfaktoren kreuzten. Evia ist auch die Wahlheimat des englischen Folk- und Psych Rock-Musikers Alan Trench, der seit Jahren mit Gruppen wie den Black Lesbian Fishermen, Howling Larsens und noch einigen anderen (siehe Tags) seine bis dato produktivste Phase ausfüllt.

Unter den Veröffentlichungen seines zwischen Rock un Ritualismus changierenden Projektes Temple Music mag das von Trench diesmal im Alleingang aufgenommene “The Unquiet Mind” zwar zu den abstrakteren zählen, dennoch scheint es eines der persönlichsten zu sein, und Geschichte und Gegenwart seines Entstehungsortes erweisen sich als vielfältiges Leitmotiv, das zwar vage bleibt, bei entsprechenden Hintergrundinformationen jedoch deutlich ins Auge fällt.

Da wären zunächst Einflüsse regionaler Musikarten, die im passend betitelten Opener “An Unquiet Moment” mit den rhythmischen Mustern klassischer indischer Musik zu einer über zwölfminütigen Noiserock-Abstraktion voller Kratzen, Rauschen und Jaulen gerät. Weniger nah am psychedelischen Hardrock und seiner Dekonstruktion, dafür ungemein hypnotisch mit seinen Handdrums und Orgelsounds, gestaltet sich das unaufgeräumte “Jungle in the Night with Tigers”. Sein Titel geht wohl auf eine Erzählung von Alans Tochter über eine Schultheater-Aufführung zum Widerstand griechischer Regionalbewegungen während der osmanischen Besatzung zurück. Durch all dies zieht sich eine unruhige Stimmung, die soweit vage bleibt, dass man nur bedingt sagen könnte, ob sie etwas Gutes oder Ungutes impliziert.

Während “Art in the 21st Century” mit weltentrückten Klangornamenten und wie aufgeklebt wirkenden Takten eine diffuse Magie evoziert, scheint “Hatching Broods” mit dem repetitiven Trillern elektrifizierter Vögel und jeder Menge weiterer Sounds über dröhnenden Fundamenten das Erwachen der Inselfauna sinnlich erfahrbar zu machen – bis dass das finale “Skyros Comes Out of the Clouds” die gleichnamige Nachbarinsel, auf einst der Held Theseus das Zeitliche segnete, aus dem Nebel auftaucht und begleitet von entspanntem Fingerstyle und dezentem Regen dem “unruhigen Geist” die ersten Momente ohne Aufruhr bereitet.

“The Unquiet Mind” ist eine noch relativ songorientierte Platte im Vergleich mit den beiden “Εποχές“-Teilen, die viele in den letzten Jahren über Sombre Soniks kennen gelernt haben, und somit etwas näher an der opulenten “Further, Faster, Closer, Slower“, dessen enzyklpoädischer Charakter hier jedoch einer für Soloarbeiten typischen Konzentriertheit Raum gibt. So ist ein weiteres Steinchen in dem experimentierfreudigen und oft nur schwer berechenbaren Kosmos von Temple Music, der sich stets neu erfindet. (U.S.)

Label: Sombre Soniks