REMO SEELAND: Hollow Body

Wenn man etwas tiefer in die Arbeit Remo Seelands als Musiker, Kurator und Labelgründer eintaucht, fällt auf, dass das Wort „Hollow“ immer wieder vorkommt. Der Leib, die Gebeine, die Stadt – all dies wird in einem hohlen Zustand der Leere dargestellt, und wenn man seinen Assoziationen freien Lauf lässt, kann man auch Hallow Ground, den Namen seines Labels, als daran anknüpfendes Wortspiel lesen und den Bogen bis zu seiner früheren Industrial-Band Náda schlagen. Es ist ein Bildbereich, der auf etwas Desolates, auf einen Mangel anspielen mag, der aber zugleich die Konnotation einer gewissen Reinheit trägt – umso mehr, wenn man den Blickwinkel einiger asiatischer Glaubenssysteme einbezieht.

Zu seiner aktuellen LP „Hollow Body“, die Seeland erstmals unter seinem eigenen Namen und mit Unterstützung befreundeter Kollegen herausgebracht hat, gibt diese Semantik zwischen Morbidität und Erlöstheit sicher keine Antworten, doch sie kann den einen oder anderen kleinen Lichtstrahl auf den Zugang zu seiner geheimnisvollen Musik richten, die vage von zwei momenthaften Erlebnissen des Schweitzer Künstlers inspiriert waren: der sinnlichen Erfahrung in der überfüllten, lärmenden Höhle des New Yorker U-Bahnsystems und der konzentrierten Erdung in der Weite der isländischen Landschaft, wo sich die Wahrnehmung von Geräuschen und der sie umgebenden Stille auf ganz andere Art verschoben hatte.

In einem gewissen Sinne ist die Verschiebung der Wahrnehmung auch eine Erneuerung des Körpers, sobald man diesen nicht von der räumlichen Umgebung getrennt versteht, und so ist schon der treffend „Body Innovation“ betitelte Opener von einem sich ständig wandelnden Klangbild aus melodisch-ambientem Klingeln, den sanften Akkorden auf Gastmusiker Norman Westbergs Gitarre, dunkler Dröhnung und einigen Taktschlägen geprägt. Konstant ist nur die schwermütige und zugleich freundliche Abgeklärtheit, die das ganze Album leitmotivisch durchzieht. Im noch dunkleren „Hollow City“ erscheinen feierliche Glocken wie Schriftzüge über einem verschwommenen Bild, das mit der Zeit immer mehr Konturen offenbart – ein ruhiger Panoramaschwenk, der für Momente die berührende Melodie einer von Reinier van Houdt mit Bogen gespielten Gitarre streift.

Jeder der sechs Tracks kann seine eigene Nuance im besinnlich-melancholischen Spektrum beanspruchen: „Second Coming“ mit eisigen Takten und der schrägen Posaune Steve Fors’ ist ein Downer zwischen Filmscore und Songansatz, „Pulse Points Green“ hat mit hintergründiger Orgel und der immer wieder durchbrochenen Harmonie einen verkaterten Doomjazz-Vibe. „Woosh Before Laya“ ist mit einer stets mit der Zeit spielenden Perkussion und verführerischen Gesangsparts das am wenigsten greifbare Stück, und „Night Within“ stimmt wie ein rauschender Regenschauer den schwermütigen Ausklang an.

Die innere Nacht ist angebrochen, doch ob all die vielen Erlebnisse auf „Hollow Body“ einen äußeren oder inneren Ursprung haben, ist wohl eine Frage, die nur mit einem diffusen „sowohl als auch“ beantwortet werden kann. Schön, dass diese Unsicherheit hier derart reizvoll und konsequent in Szene gesetzt wurde. (U.S.)

Label: Hallow Ground