DAVID JACKMAN: Silence In That Time

Nach dem Organum-Album “Sorow” aus dem Jahr 2010 herrschte erst einmal Stille und David Jackman schien verstummt zu sein. Dann plötzlich erschien 2018 mit „Raven“ ein neues Album und 2019 mit „Herbstsonne“eine Veröffentlichung unter eigenem Namen. Vor ein paar Monaten brachten Siren Records mit dem lapidar betitelten „Electronics“ ein erstaunlich noisiges Organum-Album heraus, das aus den Alben der letzten Jahre herausstach.

Das neue auf Die Stadt veröffentlichte Jackman-Album knüpft dagegen (stark) an “Herbstsonne” an: Der ganze 42-minütige Track wird durchzogen von dem kurz angeschlagenen und langsam nach- und verhallenden Klavier, man hört die leicht flirrenden Klänge der Tampura, Orgeldrones und Kirchenglocken, dazu kommt das Rabenkrähen, das auf “Raven” zu hören war. Jackman arbeitet (natürlich wieder) mit der Repetitio, die auch schon die „Holy“-Trilogie prägte, und während des gesamten Stücks fragt man sich immer wieder, ob man leichte (Ver-)Änderungen, Variationen hört. Nach etwa 14 Minuten gibt es eine kurze Pause, nach 27 eine weitere.

Wie auch auf fast allen anderen Arbeiten Jackmans finden sich so gut wie keinerlei Hinweise auf eine mögliche (Be-)Deutung. Bezogen auf „Herbstsonne“ hieß es auf diesen Seiten:  “Andere haben die Musik der letzten Jahre sicher nicht unzutreffend als Abschiedssoundtracks gedeutet und die Musik auf ‘Herbstsonne’ lässt von der erzeugten Stimmung auch eher an den Herbst des Lebens und die näherrückende Begegnung mit dem Schnitter denken als an die noch wärmende Sonne, die die verfärbten Blätter illuminiert.“ Gerade das Verhallen, das allmähliche Verschwinden der einzelnen Klangquellen und Instrumente könnte auch hier solch eine Interpretation nahelegen. Zudem fällt bei näherer Betrachtung des Artworks auf, dass auf dem Cover von “Herbstsonne” D Jackman zu lesen war, auf “Silence In That Time” nur noch Jackman steht, also scheinbar auch der Künster langsam verschwindet. Hilft es, wenn man nun weiß, dass die titelgebende Formulierung dem Buch Amos (in der Übersetzung aus der King- James-Bible) entnommen ist, in dem der Prophet spricht: „For I know your manifold transgressions and your mighty sins: they afflict the just, they take a bribe, and they turn aside the poor in the gate from their right.Therefore the prudent shall keep silence in that time; for it is an evil time.“ Bezogen auf die “Holy-Trilogie” sagte Jackman in einem seiner seltenen Interviews: “The first two parts of the threesome have an obvious flavour of Christianity, an ambience which probably does not merit much discussion beyond saying that it is an echo from my childhood. One gets old. One considers these things.” Im selben Interview hieß es auch auf mögliche Interpretationen: “I am just making my own music, nothing more. I am not offering a ‘position’. I do get a little tired of saying that. People expect far too much of a few sounds ” Wie auch immer – die “few sounds”, die Jackman auf seinen letzten Veröffentlichungen variiert, schaffen es (immer wieder aufs Neue) den Hörenden in eine ganz eigene, kaum greifbare Welt zu transportieren. (MG)

Label: Die Stadt