PHURPA: Hymns Of Gyer

Viele denken beim Thema Schamanismus heutzutage wahrscheinlich weniger an Mircea Eliade als an auf Island gedrehte und in Spitzbergen spielende Mysteryserien oder an die zahlreichen/zahllosen Scharlatane, die denjenigen, die auf der Suche nach einem weiteren Mosaikstück für ihre Bricolagespiritualität sind, ihre Dienste anbieten.

Die russischen Phurpa um Alexei Tegin (der sich nach Anfängem im Industrial schon vor Jahren stärker traditioneller, ritueller Musik zuwandte) veröffentlichen ein weiteres Album auf Stephen O’ Malleys Label Ideologic Organ. O’ Malley hatte bereits 2011 „Trowo Phurnag Ceremony“ (neu) herausgebracht. Die Band selbst sieht sich in der Tradition des Bön – der Religion, die in Tibet vorherrschte, bevor der Buddhismus zur Staatsreligion wurde und die stark von schmanistischen Praktiken geprägt war.

Ein zentrales Klangelement von Phurpa (nicht nur auf diesem Album) ist der aus der tibetischen Tradition stammende spezielle Obertongesang, der als “rgyud-skad” bezeichnet wird und dem Singenden (s)eine Verwandlung ermöglichen soll. Während Phurpa bei Auftritten zum Teil eine Reihe von Instrumenten verwenden, ist „Hymns of Gyer“ auf Stimme und zwei Klangschalen ausgerichtet und reduziert. Wer jetzt beim Thema Klangschalen unweigerlich an vom Duft von Räucherstäbchen durchzogene Esoläden denken muss, dem sei gesagt, dass diesen Hymnen jedwedes Gefällige und Süßlich-Entrückte abgeht: Das kurze erste Stück lässt an die erste Fassung von Current 93s „Maldoror is Dead“ denken. Die Stimmen tönen, überlagern sich und nähern sich dem Drone an. 17 Minuten lang dröhnt es auf dem zweiten Track. Letzlich unterscheiden sich die vier nur mit Zahlen versehenen Stücke fast nur aufgrund ihrer Länge und sie lassen sich als Teil eines Ganzen sehen. So werden zwei lange Stücke von zwei kurzen eingerahmt.

In seiner monomanischen Monotonie ist das Album extrem intensiv. Ob auch der Hörende eine Verwandlung durchmacht, sei dahingestellt, aber diese sehr dunkle Reise ist durchgängig beeindruckend. Vielleicht ist das ebenfalls auf Stimme ausgerichtete Projekt Void Ov Voices von Attila Chisar, das ja ebenfalls einen rituellen Charakter hat, von Phurka inspiriert worden, wobei das russische Kollektiv letztlich – man mag es kaum schreiben – authentischer klingt. (MG)

Label: Editions Mego / Ideologic Organ