LUSTMORD: Trinity

Der Titel „Trinity“ verweist auf den Codenamen, unter dem der erste Atombombentest im Juli 1945 stattfand – einen Monat später verwüsteten „Little Man“ und „Fat Boy“ Hiroshima und Nagasaki. Unter diesem Titel entstand ursprünglich eine Zusammenarbeit von Biosphere und Lustmord für das Unsoundfestival im Jahre 2012, zu dem Marcel Weber ein Video konzipiert hatte.Jenssen und Williams führten das Projekt ein paar Mal live auf, später wurde das Matterial dann von Willimas für eine Soloveröffentlichung überarbeitet und 2018 fertiggestellt.

Der Atompilz auf dem Cover ist ikonographisch für die Möglichkeit der endgültigen Auslöschung der Spezies Mensch geworden. David Lynch thematisierte noch vor ein paar Jahren für die dritte Twin Peaks-Staffel die Geburt der Atombombe als die Genesis des Bösen und schuf damit die vielleicht visuell aufregendsten zehn Minuten Fernsehen der letzten Jahre.

Williams, der auf seinen frühen Arbeiten Aufnahmen an besonderen Orten gemacht hatte, etwa in Grüften, Höhlen und Schlachthäusern, verwendete für „Trinity“ Locationrecordings von den Laboren in Los Alamos, wo die Atombombe entwickelt wurde, aus „White Sands“, wo sie gezündet wurde und außerdem Audiomaterial aus dem Los Alamos National Laboratory Archive.

„Twilight: Los Alamos“ enthält ein Sample von den vielleicht berühmtesten Sätzen Robert Oppenheimers, mit denen er auf den Atomtest reagierte: „A few people laughed, a few people cried, most people were silent. I remembered the line from the Hindu scripture, the Bhagavad Gita. Vishnu is trying to persuade the Prince that he should do his duty and to impress him takes on his multi-armed form and says, ‘I am become Death, the destroyer of worlds.’ I suppose we all thought that one way or another.” Dieses Sehen der fatalen Konsequenzen, das Erschauern und Erschaudern angesichts dessen, dass der Mensch nun fähig war ”To launch like the sky-god intolerable thunderbolts” (wie es in Robinson Jeffers Gedicht “Unnatural Powers” heißt) und nun etwas in der Welt war, das nicht mehr ungedacht werden konnte, konnte Oppenheimer nur noch mit einem Verweis auf das Metaphysische (er)fassen. Seine Worte werden von Drones und düsteren melodischen Flächen untermalt, die eine lauernde Bedrohung fühlen lassen. Auf “Oak Ridge” kommen im Verlauf des Stücks  melodische Flächen zu dem typischen düsteren Lustmordbrummen hinzu, die an das “Carbon/Core”-Album erinnern, und die gegen Ende von fast schon an Industrial erinnernde atonale Momenten durchbrochen werden . “Dusk:White Sands” fährt die tiefen Frequenzen zurück und man meint etwas zu hören, das nach einem Didgeridoo klingt, bevor Passagen einsetzen, die einen fast schon sakralen Charakter haben. “Journey of the Dead Man” wird von entfernten, nicht zu verstehenden Funksprüchen, Wasser und Tiergeräuschen durchzogen, in das sich in der zweiten Hälfte surrende und leicht atonale Töne fräsen. Das Stück endet in tiefsten Brummen und eine Frau erzählt, sie und ihre Schwester hätten “this great big flash of light” gesehen, obwohl ihre Schwester blind gewesen sei. “A New Dawn: Hiroshima” beendet das Album mit einer Art Trauermelodie. Verglichen mit dem auf Touch veröffentlichten reduzierten „Dark Matter“ ist “Trinity” weniger minimal(istisch), aber eine (be)drückende Veröffentlichung, die auch ohne Kenntnis des thematischen Überbaus eine Gänsehaut hervorruft. (MG)

Label: Self-released