LUSTMORD: Dark Matter

Das Weltall hat im Werk von Brian Williams schon oft eine zentrale (nicht nur metaphorische) Rolle gespielt, so etwa auf dem noch immer als Dark Ambient-Referenzwerk geltenden „The Place Where The Black Stars Hang“, auf dem im Booklet zu lesen war: „There is a place /where the black stars hang/and the strangest eons call /that amorphous mass /unknown, immense /ambivalent to all“. Immer war das All (auch) ein Signum für die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis, für die Insignifikanz des Homo Sapiens in einem Kosmos, dessen Grenzen kaum fassbar sind; Gedanken, die sich u.a. bei Pascal, Lovecraft oder etwa Robinson Jeffers finden. “Guard yourself from the terrible empty light of space, the bottomless/Pool of the stars”, heißt es in Jeffers’ “Quia Absurdum”. In den Linernotes des neuen Albums schreibt Williams: „The universe we inhabit is a vast expense far larger than we are able to comprehend“.

Auf “Dark Matter” verwendet Williams ausschließlich zwischen 1993 und 2003 zusammengetragene Aufnahmen kosmologischer Aktivitäten (Strahlung, Quasare etc.) als Ausgangsmaterial. Schon auf dem Album „Trans Plutonian Transmissions“, das unter dem Projektnamen Arecibo 1994 veröffentlicht worden war, wurde auf solche Aufnahmen zurückgegriffen. Verglichen mit jenem Album ist „Dark Matter“ – ein Album, das schon lange geplant war – allerdings wesentlich reduzierter, minimal(istisch)er. In einem 2001 veröffentlichten Interview sprach Williams davon, er plane “a long-delayed very minimal Lustmord ambient album to be called “Dark Matter”, which will only utilize recordings of deep space and interstellar activity that I’ve collected over the years” zu veröffentlichen.

Williams hatte in den letzten Jahren immer wieder das Klangspektrum erweitert, ob etwa durch den Einsatz von Keyboards auf „Metavoid“ (die dazu beitrugen, dass sich das Album partiell Filmmusik annäherte), die Verwendung von Gitarren auf „Other“ oder aber dadurch, dass er Stimme(n) auf dem 2013 veröffentlichten „The Word As Power“ ins Zentrum rückte. Die auf „Other“ basierenden sehr reduzierten Alben „[Beyond]“ und „[The Dark Places of the Earth]“ mit „extended ambient remixes“ wirkten dagegen fast wie eine kleine Korrektur, denn auch wenn man eine allzu puristische Herangehensweise vielleicht ablehnt (da Hybride oftmals spannender sind bzw. sein können), so waren die fast schon außerweltlich klingenden tiefen Bassfrequenzen, die das Werk des gebürtigen Walisers prägen, wesentlich besser geeignet, Musik zu erzeugen, die den Hörer in einen Raum außerhalb unserer Erde beförderte, wohingegen konventionelle(re) Instrumente den Klang letztlich doch (manchmal allzu sehr) auf dem Boden der Welt verankerten.

„Dark Matter“ besteht aus drei langen Tracks: „Subspace“ beginnt mit einem melodischen Ton, bevor die typischen tiefen Basssounds einsetzen. Auf „Astronomicon“ scheint Wind zu wehen, der an Stärke zunimmt und auch „Black Static“ wird von einem dunklen Brummen dominiert, ganz so, als solle die im Booklet als Umkehrung des biblischen Schöpfungsmythos abgedruckte Behauptung „The Universe began of darkness, not of light“ unterstrichen werden. Nach 70 Minuten tiefster Schwärzer ist der Hörer sicherlich soweit, das zu glauben. (MG)

Label: Touch