MONA MUR: s/t

Als Mona Mur 1988 ihr selbstbetiteltes Album herausbrachte, mischte die gebürtige Hamburgerin schon einige Jahre v.a. im Berliner Musik-Underground mit. Zusammen mit ihrer frisch formierten Band, zu der u.a. drei damalige Mitglieder der Einstürzenden Neubauten gehörten, entstand 1982 die erste EP “Jeszcze Polska”, deren rumpeliger Post Punk-Sound inklusive krätschender Gitarrenriffs bestens in die damalige Zeit passte und auch an Pop-Appeal nichts vermissen ließ.

Was die vier Songs dieses Debüts damals aus der Masse eines allzu gefälligen NDW-Einerleis herausholte, war – noch vor der nowavigen Schwere des Songs “Ein bisschen Frieden” und dem hymnisch geschmetterten Polnisch des Titelstücks – die ernste, tiefe Schwermut, der Touch von Chanson, der sich schon damals in ihrer warmen Stimme fand und wahrscheinlich schon früh Vergleiche mit Zarah Leander nach sich zog. Die nächsten Jahre vergingen anscheinend schnell, es gab eine weitere Single namens “Casablanca” und einige Konzerte, wohl auch eine Reihe Songs, die nie ihren Weg auf Tonträger fanden.

Ich kann mir vorstellen, dass einige ihrer Fans der ersten Stunde große Augen machten, als der Longplayer irgendwann in den Regalen stand, denn vordergründig betrachtet hatte das neue musikalische Gewand nur noch wenig mit dem Punk’n'Wave der ersten Aufnahmen gemein. Enttäuschung wäre aber fehl am Platz gewesen, zumindest bei all denen, die die chansonhafte Melancholie ihres Gesangs liebten, denn die kam auf “Mona Mur” nun noch stärker zum Zug und erhielt mit Hilfe einer neuen Band eine besondere Kulisse.

Schon in den ersten drei Stücken  – dem Schmachtfetzen “Ritz”, der wunderbar in eine Serie wie Babylon Berlin passen würde, dem mexikanisch angehauchten “Mezcal” und dem verspielten Synthie-Chanson “Bastard” – entfaltet sich die ganze Bandbreite aus Abenteuer, Rausch und Revue, aus sinnenfroher Exotix und schwermütig gefärbter Erotik, die dem Album ihr Gepräge geben sollte. Dass sie und ihre Band sich für einen Synthie-Rahmen entschieden haben, der ziemlich nah an den damals populären Euro Disco kam, könnte man selbst heute nicht gegen das Album ins Feld führen, denn Mona Mur weiß dieses Gerüst so sehr mit Würde, Tiefe und dem einen oder anderen Abgrund zu füllen, wie es außer ihr nur Marc Almond auf “Tenement Symphony” und v.a. “Enchanted” vermocht hatte. Zudem sorgen J.J. Burnell und Dave Greenfield – beide ursprünglich von den Stranglers – mit viel rumpelnder Detailverliebtheit dafür, dass jedes Stück ein kleiner Irrgarten wurde.

Solche Abgründe öffnen sich in poppigen Stücken wie “Venus”, das den Widerhall von Sacher-Masochs berühmtester Novelle in eine Atmosphäre wehmütiger Heiterkeit packt, ebenso im großen Pathos der schwindelerregenden Nachtmusik von “Jealous”. Eifersucht und sonstige Liebesleidenschaften sind ohnehin ein wiederkehrendes Thema in den Songs – schlüpfrig und hochemotional wird in “Auf Immer” die Lust am gemeinsamen Untergang gefeiert, exaltierter dagegen die Billie Holiday-Ballade “My Man, und für viele ist Brechts Schwein “Surabaya Johnny”, bei dem Einheit und Hacke für Krach sorgen und Monas Stimme wie durch eine offene Tür klagt, der Höhepunkt des Albums. Hacke ist dann auch noch mal in der sleazigen bluesnummer “Snake” zu hören, die ebenfalls den Rahmen sprengt.

Dank Playloud! und dem Händchen von En Esch (KMFDM, Pigface u.a.) ist das Album nun in remasterter Form auf LP erhältlich  – zusammen mit zwei Alternativversionen sowie den Songs von “Jeszcze Polska”, und man kann schließen, dass all diese Aufnahmen wie ein guter Wein in die Jahre gekommen sind. (U.S.)

Label: Play Loud!