MASS MARRIAGE: Restless

Insbesondere Harsh Noise ist oft reine l’art pour l’art ohne (über- oder unter-)komplexen thematischen Überbau. Andererseits versuchte sich Noise (insbesondere in seiner Ausprägung als Power Electronics) auch immer wieder exzessiv an der Thematisierung  des Verfemten, was sich seit Whitehouse und Sutcliffe Jugend oftmals in einer Transgressionshyperbolik erschöpfte.

In den letzten Jahren sind vermehrt Frauen in das Rezeptionsinteresse gerückt – so wurden auch hier Künstlerinnen wie Pharmakon, Himukalt oder Puce Mary besprochen, die oftmals das Genre (be-)nutzen, um den Fokus auf Weiblichkeit, den weiblichen Körper zu rücken und alternative Lesarten zu ermöglichen.

Die Kanadierin Melissa Paget, die ursprünglich aus der Videokunst stammt („I was making videos and animations and I wanted soundscapes for them. I just did it for myself, not for shows, until some time later.”) sagt über ihre Motivation: „I’m interested in female identity, where people fall into good or evil. I was very interested in models, fashion, that industry, females in films or horror movies. How can I say without sounding like a total flake… I’ve always been drawn to the tragic female figure in literature, film; the hysteric woman“.

Dabei waren frühe(re) Tapes recht monoton-monomanische Harsh Noise-Soundwälle; im Laufe der Zeit differenzierte sie das Klangbild aus, erweiterte ihr Instrumentarium und auch ihre erste CD „Restless“, auf New Forces veröffentlicht, ist dafür ein gutes Beispiel: Bezeichnenderweise heißt der erste Track „The Architecture Of The Female Body“. Dissonanzen setzen ein und werden mit Sprachsamples kombiniert und kollagiert: „designer labels are more important than ever“, „everywhere illusions are for sale“, „they can determine our sense of reality“, „hundereds of adds a day tell us that’s what our bodies should look like“. Das ist sicher nicht die subtilste Art der Medienkritik, aber das Stück ist durchaus gelungen. Auf „Eating Honey With One Finger“ setzt Gebrutzel ein und Pagets Stimmen verhallt in der Statik. „There’s an animal inside me“ und „this is my madness“ heißt es auf „Fawn Licks From Puddle”, dem vielleicht stärksten Track. „Follow The Ribbon“ ist ein recht rabiates Stück mit fiesen Hochtönen, aber insgesamt bedient Paget sich vielleicht zu sehr an Elementen aus dem Standardrepertoire. „The Most Beautiful Girl“ beendet das Album mit an Brighter Death Now erinnernden Noiseschleifen. (MG)

Label: New Forces