POUND LAND: Defeated

Über den Bandnamen Pound Land sind mir keine Hintergründe bekannt, aber er könnte sich ebenso sehr auf den englischen Pfund beziehen wie auf die Tatsache, dass eine enorme Schwere eines der verbindenden Elemente ist, welche die doomigen, noiserockigen, postpunkigen und angesludgeten Songgebilde auf ihrem aktuellen Tape “Defeated” zusammenhalten.Wenn das Label die Musik des britischen Duos (bzw. mit Gastmusikern Quintetts) als “post-industrial kitchen-sink drama” bezeichnet, dann soll damit kein weiteres Genrefass aufgemacht werden, vielmehr trägt diese Bezeichnung der inhaltlichen Ausrichtung der Combo Rechnung: Die Musik und ihre Texte transportieren eine Menge von dem Lebensgefühl, dass sich seit dem Niedergang der Industrie im Leben der Bewohner von Städten wie dem nordenglischen Stockton-on-Tees, der Heimatstadt der Band, breitgemacht hat.

Getrieben, geradezu nach vorne gejagt fühlt man sich von den Raufasergitarren und den dreschenden Drums auf “Violence”, und bald fühlt man dich wie unter einer riesigen Ladung Schutt verschüttet, durch die man eine schmerzgeplagte Stimme ihre Klage anstimmen hört. Dass diese in Wirklichkeit ein Saxophon ist, fällt erst auf, wenn Sänger Adam Stone plötzlich wirklich wie beim krepieren schreit. So deprimierend die Musik und ihre Stimmung auch ist, so kraftvoll kommt sie gleichzeitig daher, und jedes Stück eröffnet eine andere Facette dessen, was Pound Land können. “Carry on Screaming” überrascht angesichts seines Titels zunächst mit einem aufgeräumten Arrangement aus Midtempotakten, hypnotischem Seitenspiel und einem eher verbummelten Gesang, zu dem sich noch die Stimme Joanne Stones gesellt, was das Ganze zu einem lasziven Duett macht. Wollte man Birkin und Gainsbourg persiflieren, sollte man es auf diese Weise tun.

Zwischen trunkenen Deklamationen über einem kreisenden und mahlenden Untergrund (“Defeated”), zünftigen Gitarrensoli zu rauem Punksound (“Drone”, das nichts mit dem musikalischen Begriff zu tun hat), endzeitlichen Textrezitationen auf schlammig-schleppendem Sludge-Fundament (“Sick Day) und heiserem Gekeife zu knarrig groovigen Bässen (“Pathogen”) offenbaren die einzelnen Stücke ihre jeweils eigenen Seiten des zum Schreien öden naturalistischen Dramas, das in einen Ulrich Seidel-Film passen würde, aber da gäbe es gewiss passendere britische Pendants. Sollte ich einzelne Highlights hervorheben, dann wäre es zum einen die schleppende Midtempo-Hymne für Sisyphos namens “The Game Remains the Same”, dessen Basslandschaft einer Mondlandschaft gleicht. Man denkt irgendwann, Jello Biafra salbadert da irgend etwas über “future” (oder heißt es “futile”?). Zum anderen gefällt mir das abschließende “Zones”, dessen Molltöne und ein paukender Rhythmus fast etwas Rituelles und in jedem Fall etwas Feierliches anklingen lassen. Fast könnte man meinen das nächtlich psychedelische Tremulieren, das den Song durchzieht, öffnet irgendein Fenster in Richtung Transzendenz.

Doch da sollte man sich nicht zu früh freuen, denn wenn erst die rezitierende Stimme auf dem Plan tritt, ist wieder von der dumpfen Alltagshölle die Rede – Stichwort “the game remais the same”  – und dann wird auch noch mal richtig losgedroschen, bis das Drama zuende ist. (A.Kaudaht)

Label: Cruel Nature