WOLF EYES: Dreams In Splattered Lines

Trotz wie üblich zahlreicher/unzähliger Veröffentlichungen in den letzten Jahren ist „Dreams In Splattered Lines“ das erste reguläre Vollzeitstudioalbum seit dem 2017 erschienenen „Undertow“. Über dieses Album hieß es hier: „Auf ihren letzten regulären Longplayern haben Wolf Eyes eine Politik der (musikalischen) Zurückhaltung verfolgt. […] Das heißt, dass die Eruption einem fast durchgängig transparenterem Klang gewichen ist, der (natürlich!) noch immer dissonant ist. Wolf Eyes arbeiten weiterhin mit Atonalität, allerdings ohne den Zuhörenden unter einem Soundwall zu begraben.“ Diese Zurückhaltung wird auch auf dem neuen Album fortgesetzt und zeigt sich in einem Minimalismus, der weit entfernt ist von den brutalen Eruptionen, wie sie sich exemplarisch auf den beiden auf Sub Pop veröffentlichten Alben zeigten, mit denen Wolf Eyes kurzzeitig einem größeren Publikum bekannt wurden.

Zuletzt erschien noch auf ihrer Zusammenstellung „Difficult Messages“, auf der Zusammenarbeiten mit anderen Musikern aus dem Bandumfeld dokumentiert wurden und die sicher in einem ähnlichen (Klang-)Kosmos anzusiedeln ist wie das neue Album.

Nach dem Weggang des Gitarristen Jim Balijo bestehen Wolf Eyes jetzt wieder als Duo aus Nate Young und John Olson. Auf „Car Wash Two w/ Short Hands“ hört man Schritte, Wind scheint zu wehen, jemand singt etwas Unverständliches in der Ferne. Auf „Radio Box (Excerpt)“ hört man ein Quietschen, das vielleicht den von Olson gespielten „mutant reeds“ entlockt wurde. „Plus Warning“ hat Sprechgesang von Young, der von Kratzen und Pfeifen (so in etwa wie bei „Hamburger Lady“) untermalt wird: „ I tried to warn them“, kann man da hören. Synthgeblubber, das wie Sirenen klingt, und kaputte Beats durchziehen “Exploding Time”.  Auf „The Museums We Carry“ klingt etwas wie eine sich im Wind bewegende Schaukel, dazu Dissonanzen, Zischen, ein Blasinstrument. Bei „Pointerstare“ fragt man sich, ob es sich bei dem Geräusch um ein Instrument oder einen gequälten  Menschen handelt. „In Society“ kombiniert ein Blasinterument mit dem Geräusch von Vögeln und Schlägen auf eine Stahlfelder.

Auf 13 Vignetten – die Tracks sind alle zwischen zwei und drei Minuten lang – spielen Young und Olsen ihre ganz eigene Form von Industrial, die wenig mit Harsh Noise oder Power Electronics zu tun hat. Im Rahmen des (schon lange eingestellten) Seitenprojekts Demons habe ich vor vielen Jahren einmal von dystopsicher Musik gesprochen und auch wenn die musikalische Herangehensweise hier eine andere ist, so erweckt die gegenwärtige Ausrichtung von Wolf Eyes‘ Musik so, als habe jemand nach dem Zusammenbruch der Zivilisation versucht, aus den (Über-)Resten von Maschinen Instrumente zusammenzubauen. Diese fragmentierte Musik klingt vielleicht so, als hätten X-TG einen von Jandek gerimixten Soundtrack zu „The Road“ eingespielt. (MG)

Label: Disciples