1993 erschien auf dem kleinen deutschen Label Galakthorrö die erste Veröffentlichung. Nun gibt es mit leichter Verzögerung anlässlich des 30-jährigen Jubiläums eine neue Labelcompilation. Dass sich das Label entwickelt und erweitert hat, wird schon rein quantitativ deutlich: Waren auf den ersten beiden “Kosmoloko”-Samplern noch fünf Künstler mit je zwei Stücken vertreten, so sind es jetzt zehn mit je einem. Was geblieben ist, dass es sich um ausschließlich unveröffentlichte Tracks handelt.
Es ist natürlich mehr als angemessen, dass Haus Arafna diese Zusammenstellung eröffnen, schließlich begann mit der jetzt passend anlässlich des Jubiläums wiederveröffentlichten „Sex U-Mas“-7” alles: Da waren vier rabiate Stücke Power Electronics voller analoger Dissonanzen, kaputter Rhythmen und dem später so von Labelseite betitelten „Schreigesang“. Auf der vor gut 20 Jahren veröffentlichten Singlezusammenstellung der Band firmierten die Tracks unter “Teen Spirit”. Im Laufe der Jahre differenzierten Haus Arafna ihren Sound aus, näherten sich dem in Anlehnung an SPK so betitelten „Angst Pop“ an. Nach etwas eher zurückhalterenden Alben erschien 2020 mit „Asche“ ein Longplayer, der wieder rabiater klang und dem wir attestierten: „Das Gefieder dieses Phönix ist pech- und vantaschwarz.“ Auch die 7” „Dunkelheit Bleibt“ aus dem Jahr 2023 knüpfte an das Album an. Das auf „Kosmoloko 3“ enthaltene „The Other’s Joy“ ist dagegen musikalisch zurückhaltender mit reduzierten Melodiepassagen, aber textlich bleibt man – ganz realistisch – im wahrsten Wortsinne im Dunklen: „there’s no way out of the darkness/no solution/no escape“, heißt es fast resignativ. Ende 2021 erschien das Debütalbum des isländischen Einmannprojekts Aska. Das hier vertretene Stück „Lófar“ ist ein ruhiges, von melancholischen Melodien und dem Pochen des Drumcomputers getragenes Stück. Die Stimme Kristófer Pálls klingt weiterhin „am Rande der Erschöpfung, der Depression“ – wie es hier schon bezüglich des Debüts hieß. November Növelet sind schon seit langem mehr als nur ein Ableger Haus Arafnas, haben über die Jahre nach den eher noch dissonanten Momenten auf der „More Satanic Heroes“-7” und dem jüngst im Rahmen der letzten Veröffentlichungen auf Vinyl wieder verfügbar gemachten Debütalbum “From Heaven On Earth” ihren Klang zu einem zutiefst melancholischen Angstpop perfektioniert, der einen vorläufigen Höhepunkt auf dem Album „The World In Devotion“ fand. „Black Rain“ beginnt mit Gesang von Herrn Arafna: „black rain on my face [...] give your hand to a drowning man“, um am Ende Frau Arafna verkünden zu lassen: „you got soaked to the bone/drenched in black“. Hermann Kopp erinnert mit dem Titel „The Hands Of Orlac“ natürlich an seine Soundtrackarbeiten (unvergessen seine Arbeit zu Jörg Buttgereits “Nekromantik”, zuletzt war auf Galakthorrö unter dem Titel “Noirhollywood” sein Soundtrack zu “The Queen Of Hollywoodboulevard” erschienen), Auch hier ist die immer an der Grenze zur Dissonanz klagende E-Geige, ein dunkles Schaben an der Grenze zur Auflösung. Sühne Mensch debütierte 2022 mit dem passend betitelten „Schmerzportrait“. Auf “Kosmoloko 3″ ist das Stück einfach nur „Angst“ betitelt und könnte textlich sicher im expressionistischen Jahrzehnt beheimatet sein: „schwarzer nebel tanzt im kopf/zerrt erfroren am gemüt” oder “angst vermehrt sich ist erblüht“. Im Verlauf des Stücks werden die Beats schneller (Michael Belletz hat ursprünglich “anspruchsvolle[...] Tanzmusik gemacht”), wobei das mögliche Tanzen hier aber nur als als letztes Aufbäumen dieses „welke[n] dasein[s]“ verstanden werden kann (“in den gliedern schlafen steine”). Das Einmannprojekt TE/DIS hat auf bislang drei Alben die für das Label so typischen analogen Sounds mit Vocals kombiniert, die eher im Gothic zu situieren sind. Auf „Drops Of Dew“ kommt man zu dem Schluss: „we reach a dead end“. Herz Jühning, seit 2007 bei Galakthorrö, in den letzten Jahren aber weitgehend verstummt, steuert das rabiateste Stück auf dieser Zusammenstellung bei: „The Glory Age Of Pain“ kombiniert treibende Beats, schwere Schläge und eine brutal verzerrte Stimme, mit der der die Welt zerstörende Anthropofagus Mensch angeklagt wird. Mode In Gliany steuern „Ahediñ“ bei: todtraurige Melodien, bevor nach knapp zwei Minuten die Stimme einsetzt, flüsternd verkündet sie von dem Augenblick, der natürlich nur „douloureux“ sein kann. Dann kommt das von Heidegger beeinflusste Duo Da-Sein mit “Brief Lives”, das im Rahmen dieser Zusammenstellung am ehesten noch einem straighten, treibenden Beat folgt, textlich aber ebenfalls die Last der Welt trägt: „life/is your weight“, heißt es da und: „you will never be missed“. Zum Abschluss des Albums kommt die Überraschung, fast möchte man von einer Sensation sprechen, ist mit “Rules” doch das erste neue Stück von Karl Runau seit Ewigkeiten zu hören. Runau war einer der ersten Künstler auf Galakthorrö, teilte sich eine frühe 7” mit Haus Arafna. Einige Tracks seines rabiaten Debüts „Osmose“, das Ende 2021 noch einmal neu aufgelegt wurde, werden heute immer noch gerne auf Industrialabenden gespielt. Das Nachfolgeralbum “Beyond Frequencies” war insgesamt mit seiner verspielten Elektronik weniger industriell. Der auf „Kosmoloko 3“ zu findende Track „Rules“ knüpft an dieses Album an: Anfangs hört man Sounds, wie Signale aus den Tiefen des Alls, dafür klingen die Vocals dann aber wieder so, als kämen sie aus aus den Tiefsten einer verlassenen Fabrik und jemand trüge eine Staubmaske: „rules are set to be followed/so follow the rules“, tönt es da.
Zehn Künstler und zehn Stücke skizzieren mit analogem Equipment ihre (zutiefst) schwarze Sicht auf die Welt, etwas, das auf Galakthorrö seit gut 30 Jahren möglich ist.
(MG)
Label: Galakthorrö