DEEP FADE: Further

Irgendwie konnte man im Nachgang ihres Debüts “Line of Flight” bereits spüren, das das von Nordamerika und Schottland aus operierende Trio Deep Fade sein Pulver längst nicht verschossen hat und noch mehr von sich hören lassen wird – und das nicht nur, wenn man aus ihren bisherigen Karrieren weiß, dass Amanda Votta, Neddal Ayad und Grey Malkin alles andere als Eintagsfliegen sind. Gerade mal ein gutes halbes Jahr nach dem Erstling liegt nun der Nachfolger “Further” als Tape und digitales Release vor, und es steht in Sachen Derbheit dem Vorgänger in nichts nach. Es gibt aber auch, recht passend zum Titel, merkliche Unterschiede. Deep Fade treten also keineswegs auf der Stelle.

War “Line of Flight” einem deutlich kommunizierten Konzept um den Niedergang von Orten am Beispiel von Vottas Heimatstadt Detroit und das Phänomen der Paramnesie, einer Veränderung des Ortsgefühls verpflichtet, so scheint “Further” in der Hinsicht offener gestaltet, gleichwohl Stürme und der Witterung besonders ausgesetzte Orte wie Leuchttürme in verschiedener Hinsicht einen feinen roten Faden bilden, u.a. als Aufnahmeorte an beiden Seiten des nördlichen Atlantik. Stürme tosen auch immer wieder durch verschiedene Songs des Albums.

Doch der Reihe nach: Der Opener “Tidal” beginnt ohne Umschweife mit einer rauen, grobkörnigen E-Gitarre und lässt auf kratzig-verrauschte Lofi-Art eine bodenständige Melodie entstehen, die aufgrund verschiedener Brüche skizzenhaft wirkt. Der Sound scheint direkt aus einer stürmischen Umgebung zu kommen, und tatsächlich wurde die Gitarre von Ayad während eines heftigen Nordoststurms an der amerikanischen Atlantikküste aufgenommen, und dieser Eindruck von verwehter Naturgewalt zieht sich durch das gesamte Stück. Amandas Stimme, fast gehaucht und leicht heiser, kämpft nach einer kurzen, etwas zurückgenommeneren Phase gegen die zermürbenden Klangmassen an, die sie beinahe zu begraben drohen, behauptet sich jedoch am Ende auf eindrucksvolle Weise. Das Titelstück beginnt mit einer Slide-Gitarre (oder zumindest mit etwas so ähnlich klingendem) und erinnert dadurch an verschwommene, bluesig eingefärbte Americana. Doch bald übernehmen stürmische Field Recordings das Klangbild, während die Gitarren und Amandas sanfte Vocals langsam wieder den vorderen Bühnenrand einnehmen. Es entsteht eine spannende Auseinandersetzung zwischen der vulnerablen Stimme mit einer ganzen Witterung an Rauheit, mit der sie sich mit der Zeit aber zu verbünden versteht.

Schon nach diesen ersten beiden Stücken fallen einige wesentliche Unterschiede zum Vorgänger-Album auf. “Further” kommt in seinem authentischen Sound derber, uriger, bodenständiger daher und wirkt auf seine wie auch immer zerfledderte Weise songorientierter als die abstrakteren Stücke auf “Line of Flight”, deren Lärm weniger Reminiszenzen an Momente von Rock und Folk zugelassen haben. Dass die Einstürzende Neubauten auf dem neuen Album ebenso inspirierend waren wie Neil Young ergibt durchaus Sinn, gleichwohl die Nennung der beiden Acts in einem Satz auf den ersten Eindruck willkürlich und absurd anmuten mag.

“Surge” startet etwas verhaltener, schüchterner, und erinnert an ein Hörspiel, dessen Stimmung von geflüsterten Wortfetzen und undefinierbarem Dröhnen bestimmt wird. Klappernde Geräusche, ein öfters auf diesem Album einsetzendes schwindeliges Tremolieren und wieder einmal das Rauschen des Windes lassen auch hier kein wirkliches Idyll entstehen, etwas Unheilvolles scheint unter der Oberfläche zu lauern. “Little Bird”, das mit seinem verhallten akustischen Strumming und dem summenden Gesang am zugänglichsten erscheint, ist eine kurze Atempause nach Antifolkmanier – zumindest auf den oberflächlichen Eindruck, doch auch hier bricht das Schöne immer wieder auf, bis das ganze Szenario sich gegen Ende fast schon überraschend in einer beinahe himmlischen Entrücktheit auflöst. “Wake Me” kommt mit seinen disparaten Elementen und Richtungswechseln wie ein Album en miniature daher, kontrastiert unterschwelliges Kratzen, Fragmente eines folkigen Gesangs und in gewissen Intervallen auftauchende orchestral-elektronische Hochtöner, die deutlich die Signatur Malkins tragen, und lassen doch so etwas wie eine wundersame Kohärenz entstehen, bis griffig raue Loops elektrifizierter Saiten in eine komplett andere Richtung überleiten, in der der Track einen Nachleben als minimales “Folk”-Stück mit einer stetig wiederholten Tonfolge feiert. Nach dem langen, abstrahierten “Heartword”, in dem sich ein schöner Song mit einfach gestrickten Gitarrensoli versteckt, schließt das kernig schöne “Fixed and Faded” das Album in luftig vorauschter Klanggestalt ab, durch die sich, wie um zu zeigen, dass alles seine Kehrseite(n) hat, ein geheimnisvolles Bimmeln zieht.

Der Bonustrack “Hawk”, der nur digital verfügbar ist, beschließt das Album mit einer melancholischen, aber pathosfreien Geste. Amandas Stimme summt über dem trockenen Gitarrenpicking, bis das Stück in der zweiten Hälfte noch einmal zu einem doomigen Noiserock-Kraftakt anwächst, wie er nur unter dem Einfluss eines windgepeitschten Ozeans entstehen kann. Fernab jeder Genre Zugehörigkeit haben die Pfade hier also eine Feier der Wucht der Naturgewalten geschaffen, die immer wieder auch Raum für feinsinniges, vulnerables lässt. Man darf freudig gespannt sein was für Ideen die drei als nächstes aushecken werden dass sie neben ihren zahlreichen anderen Projekten wieder Zeit für deep fade finden werden ist sehr wahrscheinlich. (U.S.)

Label: Cruel Nature Records