Über Angel Haze’ Debütalbum wurde im Vorfeld bereits so viel Wirbel gemacht, dass es zum Jahresbeginn gerade noch rechtzeitig erschienen ist, bevor die launische Fortuna, die in populärer Musik immer eine gewisse Torschlusspanik rechtfertigt, die Wogen der Aufmerksamkeit schon vorzeitig geglättet hätte. In der Warteschleife unterhielt die Klatschpresse mit Szene-Rangeleien, darüber hinaus wurden die biografischen Sujets der Rapperin, die von traumatischen Kindheitserfahrungen im Paralleluniversum einer religiösen Subkultur handeln, auch außerhalb der Texte genüsslich breitgetreten. Nun bräuchte es bei all dem Rummel einen echten Hammer, eine besonders unerhörte Wendung, mit der das Album nach dem langen Vorspann noch einmal richtig überraschen könnte. Doch es wäre eine sehr wohlwollende Auslegung, diese in der geschliffenen Produktion und den poppigen Gesangspassagen zu sehen, die die Schroffheiten der ersten Lebenszeichen ersetzen.
Angel Haze’ Stimme wird gerne als schneidend beschrieben, ihre Raps hier und da mit einem Schnellfeuergewehr verglichen – durchaus zurecht, und auf „Dirty Gold“ hat auch dies noch so manchen großen Moment. Im Kontext der elaborierten Synthies und der nett gesungenen Hookline jedoch offenbart das schon im programmatischen Opener „Sing About Me“ die Handschrift eines Produzententeams, das meist in gefälligen Indie-Bereichen (Coldplay, Arcade Fire) unterwegs ist. „Battle Cry“ mit Gastsängerin Sia und einem Piano a la Westcoast-Pop klingt wie Musik, die ich sonst nur beim Friseur zu hören bekomme. Beiwerk wie dieses weiß die Hauptfigur durchaus in expressive Gesten umzuwandeln, z.B. wenn sie sich in „Rose Tinted Suicide“ von den melodramatrischen Streichern nahezu überwältigen lässt und und dabei die Standfestigkeit ihrer Stimme kunstvoll zerbrechen lässt. Doch was anderswo Indiegitarren verderben, erledigt hier eine Überdosis Retortenchöre. „Deep Sea Diver“ bietet den Höhepunkt an Klangdesign mit rauen, hypnotischen Flächensounds und vertrackten Handclaps, weshalb man die poppigen Gesangspassagen durchaus in Kauf nimmt.
Die aufgeregte, bisweilen wütende Emotionalität in den gerappten Passagen entspricht den Texten mit ihrer nach wie vor brutalen, drastischen Bildlichkeit. Beinahe konstant wird ein eigentlich paradoxes Spannungsverhältnis zwischen Ungeduld und Abgeklärtheit aufrecht erhalten, das den rebellischen Charme altkluger Adoleszenz ausstrahlt und auch vor Stereotypen („haters gonna hate“) nicht halt macht. Stets zeugen ihre Verse, wie schon der Albumtitel andeutet, vom Widersinn des schönen Scheins und der harten, hässlichen Realität, von einer Wildnis, in der die Gesetze eines rüden Sozialdarwinismus regieren, kaschiert durch den Zuckerguss der Doppelmoral. Zum Pessimismus neigt sie dabei keineswegs, mahnt vielmehr zum Wachsein, zum Anvisieren von Zielen, mit Durchhalteparolen, die Gestalten wie Ayn Rand und Dale Carnegie zur Ehre gereicht hätten. Eines Tages bist du stärker als alle, die dich verletzt haben, so die simple Conclusio in „Battle Cry“.
Was all dies vom allgemein kolportierten Lebensgefühl des Hiphop, von dem stets ambivalenten Verhältnis zur Ethik und Bildwelt des Kapitalismus abhebt, ist eine religiöse – und letztlich religionskritische – Note, die sich um so mehr erschließt, wenn man um ihre Kindheit in einer Pfingsgemeinde weiß. Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, doch dies gibt es nur um den Preis von „masses of blood“ – so heißt es „Black Synagogue“, bevor sie einen Gospel imitiert und persifliert. Sehr autobiografisch in dem Zusammenhang ist „Black Dahlia“, das sich direkt an die eigene Mutter richtet und textliche und musikalische Derbheit vorübergehend verschmilzen lässt. Sakralsamples zur Illustration sorgen wie anderswo orientalische Instrumente dafür, dass das Klangbild nicht eindimensional gerät.
„Dirty Gold“ ist eine solide, virtuose Angelegenheit und ein gutes Stück jugendlich ungestümer Unterhaltungsmusik – vielleicht mag es etwas affektiert wirken, wenn ausgerechnet in einem Webzine mit einem Schwerpunkt auf experimentellere Musik das Glatte, streckenweise nur-Poppige zum Anstoß genommen wird. Doch gerade in der Hinsicht wiesen die frühen Tracks eben in eine andere Richtung, so dass dieser Kritikpunk nicht nur für Zaungäste relevant sein sollte. (U.S.)
Label: Universal