Stephen O’Malley und Greg Anderson, denen man nachsagt, ein recht gegensätzliches Duo zu sein, sind mit ihrem Projekt Sunn O))) nicht vom Himmel gefallen. Sie stehen in diversen Musiktraditionen, und innovativ waren sie vor allem als Missing Link, der Bereiche zusammenführt, die sich mehrfach sehr nah kamen und sich doch niemals völlig berührten. Bewegten sich Drone- und Minimalmusik in der Nachfolge von Young oder Palestine entgegen mancher Behauptungen nie vollends aus dem sogenannten E-Bereich heraus, hat sich (Doom-)Metal der Abstraktion und der völligen Auflösung Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Reviews
VIVIAN VOID: Div.
Ob Vivian Void ihren Bandnamen von den Vivian Girls aus Henry Dargers Buch „In the Realms of the Unreal“ entlehnt haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen – ich vermute sogar, dass dem nicht so ist. Die enorme Graphic Novel aus der Feder eines lichtscheuen Dienstboten, die auf rund fünfzehntausend Seiten den Kampf von sieben jugendlichen Amazonen gegen ein kinderversklavendes Terrorregime erzählt, eignet sich allerdings zu gut als Aufhänger, um den Querverweis einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Zu siebt sind Vivian Void ja schließlich auch. Weiterlesen
TORTURING NURSE VS. GOVERNMENT ALPHA: Split
Auf dieser lakonisch „Split“ genannten Doppel-CD treffen zwei gestandene Größen fernöstlicher Lärmkunst aufeinander. Der japanische Harshnoiser Yasutoshi Yoshida alias Government Alpha wurde hier bereits mehrfach vorgestellt, Torturing Nurse ist eine vierköpfige Band aus Shanghai und sicher die bekannteste Noisekapelle der Volksrepublik China. Bekannt sind sie unter anderem für wütende Liveshows, die an Hijokaidan denken lassen, für ätzendes Gitarrenfeedback und eine visuelle Gestaltung, die gern mit Motiven spielt, die in weniger abgeklärten Zeiten als provokativ galten. Weiterlesen
DEMDIKE STARE: Elemental (Parts 1 & 2)
In den letzten Jahren ist vermehrt deutlich geworden, dass Hybride oftmals origeneller sind als die, die sich sklavisch an mosaische Reinheitsgebote innerhalb engster Gattungs- und Genregrenzen halten. Das nordenglische Duo Demdike Stare ist schon allein aufgrund der Herkunft der beiden Beteiligten ein Vertreter ersterer Gruppe: Miles Whittaker kommt vom Techno (er ist u.a. ein Teil von den ebenfalls auf Modern Love veröffentlichenden Pendle Coven), Sean Canty – der bei dem archivarischen Label Finders Keepers angestellt ist und einmal als einer der bekanntesten Plattensammler Manchesters apostrophiert wurde – vom Hip Hop. Weiterlesen
SEWER GODDESS: Disciples Of Shit: Live Waste
Wie stellt man jemandem Sewer Goddess vor, nachdem man das Projekt in den ersten Jahren seines Bestehens sträflich vernachlässigt hat? Man könnte sich in der Erörterung von Genrezugehörigkeiten ergehen, von Power Electronics, Death Industrial und dezenten Black Metal-Einflüssen sprechen – Aspekten die omnipräsent sind in der Musik, im Auftreten und im visuellen Erscheinungsbild der Band, die man so gerne mit Frontfrau Kristen Rose gleichsetzt, zu der aber auch noch Josh Langberg gehört. Natürlich könnte man auch einmal mehr die Tatsache, wie wenige kreative Musikerinnen doch die Männerdomäne harter elektronischer Musik bevölkern, aus der Mottenkiste holen. Weiterlesen
200 YEARS: s/t
Ob 200 Years als ein langfristiges oder eher als einmaliges Projekt gedacht ist, steht wohl noch in den Sternen. Ben Chasny hat sich nie nur auf seine Band Six Organs of Admittance konzentriert, sondern mit Gruppen wie Comets on Fire und August Born stets interessante Nebenschauplätze gepflegt. Dazu kamen Gastspiele u.a. bei Hush Arbors oder Current 93, bei denen er mit seinem Gitarrenspiel die eine oder andere Spur hinterließ. Mit der Sängerin Elisa Ambrogio von den Magik Markers arbeitete er bereits auf einem Six Organs-Album zusammen. Mit 200 Years wurde jüngst das gemeinsame Projekt der beiden aus der Taufe gehoben. Weiterlesen
LANA DEL REY: Born To Die
Ich wäre in den letzten Wochen echt gerne einmal jemandem begegnet, der Lana del Rey auf eine etwas sarkastischere Art toll gefunden hätte, so nach dem Motto „ich finde Lana gut, weil das was sie macht eigentlich ziemlich normal und vorhersehbar ist, und dass ein derart offensichtliches Image-Konstrukt so reibungslos ankommt, ist auf gewisse Weise schon fast wieder bewundernswert. Wer da noch meint, den endgültigen Tod des guten ehrlichen Pop bejammern zu müssen, der ist einfach ein hoffnungslos konservativer Althippie“. Obwohl ich die konservative Althippiekiste sonst gerne bemühe, hätte ich der Person unumwunden zugestimmt, denn geteiltes Checkertum verbindet bekanntlich. Weiterlesen
SEVEN THAT SPELLS: The Death And Resurrection Of Krautrock: AUM
Die Geschichte des Krautrock wurde schon oft erzählt und bedarf nicht unbedingt einer Neuauflage. Die kroatischen Psychrocker Seven That Spells haben ihre aktuelle Trilogie allerdings genau diesem Unterfangen gewidmet. Dass sie dies in Form interessanter (Meta-)Musik tun, ist nicht ungewöhnlich. Ein gewagtes Projekt wird es erst dadurch, dass sie nicht die Entstehung des Krautrock zum Ausgangspunkt nehmen, sondern seinen Niedergang, von dem aus sie in die Zukunft blicken. Das macht das Ganze zu einer recht optimistischen Angelegenheit und gipfelt in einem Ja zu allem, was mit Revivals, Neuauflagen und historischem Retrobewusstsein zu tun hat. Weiterlesen
SIEBEN: No Less Than All
Obwohl Matt Howden solo und mit seinem bekannten Projekt Sieben einen ziemlich eigenen musikalische Bereich pflegt, haben Einflüsse und Inspirationen immer eine Rolle gespielt. Schon deshalb war sich der Geiger und Sänger auch nie zu schade, Hommagen in die unterschiedlichsten Richtungen auszusprechen. Dass Howden nicht nur ausgewählten Figuren in seinen Songs Tribut zollt, sondern seine Künste auch gerne in den Dienst von Kollegen stellt (zuletzt Atzmann Zoubar), unterstreicht den ausgesprochen kooperativen Charakter des vordergründig autarken Sieben-Kosmos, in dem allerhand versteckte Dialoge stattfinden. Auch dass sich Howden gerne von eigenen älteren Songs neu inspirieren lässt und zeitweilig ruhende Fäden neu aufnimmt, ist Teil der unterschwelligen Dynamik, die seine Kreativität bestimmt. Weiterlesen
V.A.: John Barleycorn Reborn: Rebirth
Vor einigen Jahren veröffentlichten das Downloadportal Woven Wheat Whispers und das Label Cold Spring die Doppel-CD „John Barleycorn Reborn”. Unter dem Titel des vielfach interpretierten Traditionals „John Barleycorn” (ver)sammelten sich eine Vielzahl britischer Künstler, die alle ihr eigenes Folkidiom sprachen und die mit verschiedenen Ansätzen und unterschiedlichen Mitteln versuchten, Folk für das 21. Jahrhundert relevant zu machen. Dabei reichte die Bandbreite zwar von eher experimentelleren bis hin zu sehr der Tradition verpflichteten Tracks, wobei dennoch deutlich wurde, dass alle Beteiligten weitaus Weiterlesen
ATZMANN ZOUBAR: Aut Sperma In Terram Effundit
In den letzten Jahren ist das Wort “Ritual” in einschlägigen Musikszenen seltener gefallen. Allgemein ist man sich einig, dass die genrebildenden Werke in den 80ern und frühen 90ern aufgenommen wurden – in einer Zeit, als die Idee, durch repetitive Musik und geheimnisvolle Symbole Türen in unerforschte Räume der Psyche zu öffnen, noch unverbraucht war. Ain Soph mit ihren frühen Aufnahmen sollten eine der ersten Referenzen sein, natürlich auch die berühmte Bonusplatte zum Erstling von Psychic TV. Weiterlesen
V.A.: Compilation for a Cat
Als Amanda Vottas Kater vor ein paar Wochen mit einem lädierten Hinterbein heimkam, sah alles noch nach einer leicht zu behandelnden Verletzung aus, die man schnell und ohne größere Kosten behandeln kann. Zumindest dachte das zunächst auch der Tierarzt, der erst nach weiteren Untersuchungen einen komplizierteren Oberschenkelbruch diagnostizierte, dessen Behandlung kostenmäßig im vierstelligen Bereich rangieren wird – ein Preis, den die Schwedin nicht mal so von jetzt auf gleich aufbringen konnte. Dass sie mit einigen bekannten Musikern befreundet ist, erwies sich dabei als kleiner Vorteil, Weiterlesen
STONE BREATH: The Aetheric Lamp
Kurz nach der Split-LP mit Language of Light folgt das den gleichen Titel tragende Vollzeitalbum des neuen, „lokalen“ Lineups von Stone Breath. Schon die drei Stücke auf dem Splitalbum machten deutlich, dass der Klang dieser Band durch das Zusammenspiel von Banjo und Akustikgitarre dynamisch(er) wirkt. Thematisch präsentiert Renner hier erneut (s)eine theologische Vision, die durch Zeilen wie „O the thunder has a voice if we have ears to hear it/Although the sound will terrify if we have reason to fear it“ („The Voice of the Thunder“) oder „Rise upon the altars of living breath or upon the shrapest horns of death“ stellvertretend Weiterlesen
V.A.: Svensk Bonnasynth
Schon in den 90ern widmete die Zeitschrift Testcard dem Phänomen “Retro” eine ganze Ausgabe. Mittlerweile jedoch, in einer Zeit, in der man sich Popkultur ohne Rückgriffe auf Vergangenes kaum noch vorzustellen traut, erscheinen einem die damaligen Entwicklungen fast wie ein zaghafter Vorgeschmack auf einen Mechanismus, der heute schwerer zu bewerten ist als je zuvor – schwierig vor allem im Hinblick auf die Frage, ob man das Ganze nun als Resignationsphänomen marke „Es gibt nichts mehr zu erfinden“ betrachtet, oder ob man doch eher die Möglichkeit fokussiert, einer einst unterbrochenen Entwicklungslinie neuen Auftrieb zu verschaffen. Weiterlesen
TEMPLE MUSIC: Soon You Will All Die And Your Lives Will Have Been As Nothing
Selten wurde ein Thema wie die Vergänglichkeit mit derart drastischen Worten umrissen wie auf dem vorliegenden Album von Temple Music, einer englischen Psychfolk-Combo, zu deren Nukleus der an vielen Instrumenten bewanderte Alan Trench zählt. Seit den Neunzigern spielt er mit seiner anderen Band Orchis eine Folkmusik, die sperrig und geschmeidig zugleich ist, und betreibt mit Cryptanthus eines der interessantesten Undergroundlabels der britischen Inseln. Temple Music ist sein Projekt mit Stephen Robinson und wechselnden Gästen. Hier gibt man sich strukturell ausladender und konzeptuell zum Teil recht radikal. Weiterlesen
OTHON: Impermanence
Drei Jahre nachdem Othon Mataragas sein Debüt „Digital Angel“ auf David Tibets Label Durtro veröffentlichte, folgt mit „Impermanence“ der schon länger angekündigte Nachfolger. Zwei der Sänger, die das Debüt entscheidend (mit)prägten – Ernesto Tomasini und Marc Almond -, spielen auch auf dem neuen Album eine zentrale Rolle. Vor einigen Monaten kündige Othon an, dass seine künftigen Werke alle unter dem Motto „PAN muzik“ stünden, dabei äußerte er sich jüngst in einem Interview mit dem Magazin Exeunt zum gewählten Begriff: „Pan transcends all styles and limitations. Weiterlesen
USHER/WEHWALT/ZREEN TOYZ: Le Chrysaor Paraphile
Im buchstäblichen Sinne bedeutet Paraphilie die Liebe zum Abseitigen in jeder Form. Schon in dem Sinne haben die drei französischen Elektroakustiker Wehwalt, Usher und Zreen Toyz den passenden Sound gefunden, denn „Le Crysaor Paraphile“, ein Gebilde zwischen Album und Compilation, bietet eine satte Folge von verdichteten Klängen, die zu einer trügerischen Schönheit manipuliert wurden. Die Schrägheit des Ganzen wird jedoch nur an der Oberfläche kaschiert. Weiterlesen
KATE BUSH: 50 Words for Snow
Sieht man sich heute das Video zu „Wuthering Heights“ an, Kate Bushs Debut-Erfolg der späten Siebziger, steht man vor einem Rätsel. Die junge Sängerin, äußerst kreativ geschminkt, hüpft mit kindlich aufgerissenen Rehaugen, ausdrucksvoll die Arme schwenkend, über eine englische Weide, gehüllt in ein knallrotes Flatterkleid, das sie wohl zum potentiellen Zielobjekt sämtlicher in der Nähe grasender Stiere macht. Dann beginnt sie auch noch, im jugendlich überspannten Quetschsopran die Namen der Protagonisten aus Emily Brontes berühmtem viktorianischen Roman in den Wind zu rufen. Weiterlesen
BALLO DELLE CASTAGNE: Kalachakra
Ballo Delle Castagne traten erstmals vor drei Jahren als Supergroup in Erscheinung, in der Mitglieder diverser italienischer Folkbands zeigten, dass sie auch laute und rauschhafte Musik machen können. Psychedelic hat in den letzten Jahren so mancher Folkkapelle aus der kreativen Sackgasse geholfen, aber das besondere an den vier Italienern unter dem Zeichen der Kastanienkugel ist der punkige Drive, den sie der Musik dabei verpassten. Weiterlesen