OTHON – Interview

Im vergangenen Jahr wurde auf Durtro das Debütalbum des griechischen Pianisten OTHON Mataragas veröffentlicht, auf dem als Gastsänger Marc Almond, David Tibet und (seine Muse) Ernesto Tomasini zu hören waren. “Digital Angel” war in seiner Exzentrik, Emotionalität und Originalität einer der Höhepunkte des letzten Jahres. Momentan arbeitet OTHON an zwei weiteren Alben und auf dem im Oktober in Rom stattfindenden PRE Final Fest wird er einen neuen Soundtrack zu Jörg Buttgereits Klassiker “Nekromantik” vorstellen.

Ich denke, dass du bezüglich deines Albums in den letzten Monaten Feedback bekommen hast. Bist du zufrieden mit dem, was bisher über das Album bzw. über dich geschrieben wurde?

Ja, sehr. Zuerst dachte ich, dass es die Leute nicht verstehen würden, da es eine ziemlich seltsame und ungewöhnliche Platte ist, auf der sich verschiedene Stile mischen. Aber es sieht so aus, als sei das der springende Punkt gewesen. Es ist eine sehr ehrliche Platte, die sich mit all den verschiedenen Facetten von mir beschäftigt und irgendwie könne die Leute das nachvollziehen. Ich glaube daran, so viele Facetten unserer Persönlichkeit wie möglich zum Ausdruck zu bringen ohne dabei notwendigerweise einen Konflikt zu erzeugen.

Auf “Digital Angel” singt David Tibet COILs “The Dreamer Is Still Asleep” (ein Lied, das in dieser Form auch für den neuen Soundtrack zu Derek Jarmans “The Angelic Conversation” verwendet wurde). Du hast einmal gesagt, dass dich primär die Musik dieses Films inspiriert hat (die von COIL stammt). Wie stark bist du von CURRENT 93 und COIL beeinflusst worden?

Ich bin u.a. mit der Musik von COIL und CURRENT 93 aufgewachsen, deswegen ist der Einfluss ziemlich stark. Aber ich denke, dass mich diese Bands hauptsächlich auf einer energetischen Ebene und weniger auf einer musikalischen beeinflusst haben. Sie sind sich selbst und ihrer Kunst gegenüber von Anfang an ehrlich gewesen und diese Ehrlichkeit war für mich und andere ansteckend.

Das bringt mich zu der nächsten Frage: Wie ist die Idee einen neuen Soundtrack für “The Angelic Conversation” zu machen? Was für Erinnerungen hast du daran?

Ich telefonierte gerade mit Tibet und er fragte mich, ob ich mit ihm und Sleazy in Turin im Rahmen des Filmfestivals auftreten wolle. Ich war natürlich begeistert. Es war eine großartige Veranstaltung: Durch und durch “low beat” und anders als die Auftritte, die ich bis dahin gemacht hatte. Für mich war wahrscheinlich der beste Moment, als Sleazy zu mir kam, nachdem wir “The Dreamer [is Still Asleep”] geprobt hatten und meinte, dass er habe weinen müssen, und dass er (zu meiner Überraschung!) denke, dass diese Version dem Anlass angemessener sei als das Original. Peter ist ein wundervoller Mensch und es war für mich eine Ehre mit ihm zu spielen. Ich denke, ein Traum mehr ist an diesem Tag wahr geworden!

Es heißt, Ernesto Tomasini sei deine Muse. Was kannst du uns über eure Beziehung sagen?

Wo anfangen und wo aufhören? Ernesto ist eins der größten Geschenke, die Gott, der Universelle Agent oder das Flüssige Licht (wie man es auch immer nennen mag) mir gegeben hat. Abgesehen vom Performer, der er ist, kann Ernesto meine Musik so verstehen als sei sie ein Teil von ihm selbst. Sein Antrieb, seine Energie und sein Enthusiasmus sind unübertroffen und mit ihm zu arbeiten ist eine reine Freude. Er ist ein Mit-Reisender, Mit-Erforscher und Mit-Partykämpfer in diesen schwierigen, aber auch aufregenden Zeiten!

Lass uns zu deinem Debüt kommen. Auf “Digital Angel” hast du Crowleys “The Tango Song” vertont und du hast mal in einem Interview gesagt, dass dich einige seiner Schriften faszinieren, aber dass du kein totaler Anhänger bist. Warum hast du “The Tango Song” ausgewählt? War es diese Zelebrierung von Leidenschaft und Ekstase?

Um genau zu sein habe ich das Stück nicht wirklich selbst ausgewählt. Es wurde sozusagen viel eher für mich ausgewählt. Ursprünglich bat mich Hymenaeus Beta vom O.T.O. darum, einige Demoaufnahmen von Liedern von Frater Achad (Charles Stansfeld Jones) und Crowley für die O.T.O.-Archive zu machen. Marc (Almond) sollte zwei der Crowleysongs mit einem Verwandten von Crowley aufnehmen und ich sollte ihm dabei helfen, sie zu lernen. Was geschah, war, dass Marc es vorzog, nur “The Tango Song” zu singen, weil er dachte, dass “Viva La France” besser von einem Franzosen gesungen werden sollte. Ich nahm eine Version [von “The Tango Song”] auf, die Marc sehr gefiel und wir dachten uns dann, warum sollen wir es nicht einfach zusammen aufnehmen? Das machten wir dann und ich bin froh darüber, da uns beiden das Ergebnis sehr gefällt.

Würdest du sagen, dass zumindest ein Teil des Albums eine Apotheose des Sex’ ist?

Auf gewisse Weise schon, obwohl ich daran nie bewusst gedacht habe. Es gibt eine starke sexuelle Strömung auf der CD, eine Art ursprünglicher Energie, wenn man so will, aber das mag daran liegen, dass ich selbst eine sehr sexuelle Person bin. Mich interessieren hauptsächlich die zerstörerischen und schöpferischen Elemente des Sex’ und das spiegelt sich in meiner selbst zerstörerischen und selbst erschaffenden musikalischen Figur wider.

In William Blakes “The Marriage Of Heaven And Hell” heißt es: “Energy Is Eternal Delight”. Stimmst du dem zu?

Ich könnte nicht mehr zustimmen!

Ich habe mich gefragt, ob du die Texte mit dem einen Sänger im Hinterkopf gechrieben hast, da die Texte ideal zum jeweiligen Vortragenden zu passen scheinen (z.B. “Tonight”).

Ja. Bei allen Stücken hatte ich die Sänger im Kopf, wobei ich zu dem Zeitpunkt als ich “Tonight” und “The Epitaph of God” schrieb, nicht wusste, ob Marc sie singen würde oder nicht. Ich habe nur insgeheim gehofft, dass er es machen würde!

Du hast in einem anderen Interview erwähnt, dass die Titel gebende Trilogie zumindest partiell von Überwachung (durch digitale Implantate) handelt. Was kannst du uns über das Konzept verraten?

Dieses Konzept breitet sich fortwährend in meinem Kopf aus. Ich verbringe genauso viel Zeit damit, all diesen Kram zu recherchieren wie mit dem Schreiben oder Spielen von Musik. Das Cover des Albums ist der Inbegriff dieser Ideen, wenn auch versteckt hinter den “kitschigen” Elementen – wie es jemand nett formuliert hat. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr wird mir klar, dass nicht nur die Menschheit, eine Einweltregierung oder die neue Weltordnung dahinter steckt. Das ist nur die Fassade. Es sieht so aus, als ob da komplexere Mächte, die transdimensional sind, am Werk sind. Es gibt hyperdimensionale Wesen, die die Erde als Quelle betrachten und es gibt andere, die versuchen uns zu warnen und zu beschützen. Uns wird langsam bewusst, dass wir nicht alleine im Kosmos sind und Enthüllungsprojekte dienen diesem Zweck. Da wir uns dem Jahr 2012 nähern, denke ich, dass wir noch mehr Enthüllungen und Ufosichtungen haben werden. Die Realität wird bald eine neue Form haben. Im Augenblick schreibe ich für nächstes Jahr ein Theaterstück/eine Performance zu diesem Thema. Ich kann jedem empfehlen, der sich nur im Entferntesten für diese Themen interessiert, zu kommen und es sich anzusehen. Es wird nächsten Mai in Manchester beim “Queer Up North”-Festival aufgeführt werden und Ernesto wird sehr daran beteiligt sein.

Denkst du, dass durch die allgegenwärtige Kameraüberwachung, den immer stärker werdenden Verlust der Privatsphäre und die teilweise Rückkehr zu traditionellen Vorstellungen von “Normalität” transgressive Kunst mehr denn je notwendig ist?

Transgressive Kunst war immer wichtig um die Dinge etwas in Aufruhr zu versetzen. Dennoch scheint es für mich so, als sei es nie so nötig gewesen wie heute, aber Leute aus anderen Zeiten, z.B. aus den 50ern oder 60ern würden wahrscheinlich sagen, dass transgressive Kunst damals ebenso notwendig, wenn nicht notwendiger, war. Das ist also schwer zu beantworten.

Kostüme scheinen für dich eine wichtige Rolle zu spielen. Hast du eine Kunstfigur erschaffen? Gibt es eine enge Verbindung zwischen dir als Person und dir als Künstler?

Es handelt sich nicht wirklich um eine Kunstfigur, sondern um einen Aspekt meiner Person. Als Kind bin ich oft als Konzertpianist aufgetreten, und ich habe mir noch immer die Ernsthaftigkeit und den Schick eines klassischen Performers bewahrt. Ich mag die Kraft, die von guten Anzügen oder anderer schöner Kleidung ausgeht. Es ist nur so, dass ich diesem Formalen gewisse Ecke und Kanten hinzufüge, damit es näher an mir selbst ist. In Wirklichkeit sehe ich etwas exzentrisch aus, ob auf der Bühne oder auf der Straße!

Gibt es schon Pläne für weitere Aufnahmen und wirst du mit den gleichen oder anderen Sängern arbeiten?

Ich arbeite gerade an zwei Alben, die beide fast fertig geschrieben sind und ich bin wahnsinnig aufgeregt. Ich weiß aber noch nicht, wann ich mit den Aufnahmen beginnen werde. Es hängt davon ab, wann ich ein geeignetes Label finden werde, das mich unterstützen kann, damit ich das nötige Geld zum Weitermachen habe.

Wie sieht für dich der ideale Auftritt aus?

Ein Auftritt mit einem Orchester, das eine große Perkussionssektion hat, einen Chor und einen Kinderchor irgendwo auf Arcturus, Sirius oder dem Sternbild der Leier – das scheint ein ziemlich ideales Szenario zu sein. Ah ja, ich möchte, dass meine engsten Freunde dabei sind und irgendwie mitmachen. Um das zu erreichen, brauche ich wohl mehrere Leben, aber ich bin mir sicher, dass es möglich ist!

Wie bist du mit Durtro in Kontakt gekommen?

Ich habe immer davon geträumt, mein erstes Album auf Durtro zu veröffentlichen. Ich hätte Durtro-Jnana jedem anderen Label vorgezogen – egal wie groß oder einflussreich. Es ist solch eine warme und einen willkommen heißende Heimstätte, um seine Kariere zu starten. Ich denke, ich hatte das Glück, dass David und ich Freunde wurden und ich zuerst mit CURRENT [93] aufgetreten bin.

Hat Jean Genet eine Rolle in deinem Leben gespielt? Bist du von ihm oder anderen Autoren beeinflusst worden?

Ich bete Jean Genet an und seine Bücher haben mich sehr beeinflusst. Jedes Mal, wenn ich in Paris bin, bleibe ich im Place du Clichy und laufe durch die Gegend, von der “Notre-Dame-des-Fleurs” beeinflusst wurde. Es gibt viele Schriftsteller, die bei mir ihre Spuren hinterlassen haben, aber wenn ich ein paar auswählen müsste, wären das Oscar Wilde, Timothy Leary, Kostas Karyotakis und natürlich Jeremy Reed.

Bist du von Bruce la Bruce angesprochen worden, einen Song zu seinem Film “Otto” beizusteuern?

Bruce hat mich über myspace kontaktiert, nachdem er meine Musik gehört hatte. Das war solch eine schöne Überraschung, da ich immer wieder etwas über ihn gehört, aber nie wirklich seine Welt erforscht hatte.

Gibt es noch etwas, das du sagen möchtest?

Ich denke, dass ich schon zuviel gesagt habe!

-M.G. & D.L.-

othonmataragas.com