TEMPLE MUSIC: Children Of The Sun

Wer mit Temple Music lediglich Alte Musik und eine relativ abstrakte Neuinterpretation von Folklore in Verbindung bringt, der darf beim aktuellen Longplayer ein paar Überraschungen erleben. Orchis-Gründer Alan Trench und Bandkollege Stephen Robinson sind nicht nur Experten und Virtuosen des Folk, sondern auch Kinder der Punk- und New Wave-Ära, und nichts schlägt einem mehr entgegen als dies, wenn man ohne besondere Erwartung die ersten Takte von “Children of the Sun” vernimmt. Temple Music überraschen hier nämlich mit einem sägezahnartigen Gitarrenriff, für den ein Begriff wie Post Punk erfunden wurde, und den man jahrelang v.a. aus dem Old School-Abend der lokalen Gothic-Disco her kannte. Schlechtes muss das durchaus nicht heißen, auch wenn man nach jahrelangen Anknüpfungsversuchen an (vermeintlich?) bessere Zeiten und nach etlichen Hypes schon seine Mühe hat, die wirklich interessanten Erneuerer aus der Masse an Aufgewärmtem herauszufischen. In dem monotonen Song “Mirror” jedenfalls kämpfen die wabernden Synthies von Frank Suchomel und der Sirenengesang von R. Loftis, die sich bereits bei The Gray Field Recordings einen Namen machen konnte, um die Vorherrschaft in diesem seltsamen Songgebilde. Ihre leicht etherische Stimme schafft eine kontemplative Atmosphäre, die das für Trench nicht untypische Introspektionsthema bestens einfängt. Das größte Kuriosum jedoch stellen die dünnen, minimalen Beats aus dem Drumcomputer dar, die an die Punkreste früher WSD-Aufnahmen erinnern und heutzutage einen seltsamen Retroeffekt hervorrufen, über dessen für und wieder ich mir schwer ein Urteil bilden mag.

Nach diesem kleinen Kulturschock wirkt der akustische Auftakt des darauf folgenden Titelsongs wesentlich vertrauter und weiß dann sicher auch Temple Music-Hörer der alten Schule zu versöhnen. Erst gegen Ende, nachdem Loftis auf trunkene Art eine Reise ins Unbekannte besungen hat, melden sich die Drums wieder zurück und kernige E-Gitarren runden das Szenario ab. Eine echte Überraschung hält „Ism“ bereit, denn hier traut sich Trench erstmals selbst ans Mikro und intoniert einen smoothen Indiesong, der um die mantrartig wiederholte Phrase „not so fixed“ herum gebaut ist und hypnotisch wirkt. Mit seinem dreampoppigen Gitarrenpicking verbreitet das Stück fast ein bisschen 4AD-Feeling, und generell sind die Sonnenkinder, die auf dem Album die Hauptrolle spielen äußerst traditionsbewusst und scheinen sich in unterschiedlichen Epochen (nicht nur) der Popgeschichte heimisch zu fühlen. Herzstück des Albums ist das Mammutstück „Monumentum“, dass seinem Namen alle Ehre macht. Raue Schrammelgitarren, hintergründiges Punkshouting, tremolierende Retrosynthies und futuristische Störgeräusche sorgen allenthalben für überraschende Wendungen und geben dem Ganzen eine krautige Grundstimmung, die durch ergriffenes Pathos auf dem Harmonium und liebliche Folkgitarren untermauert wird. Wenn sich am Ende des knapp zwanzigminütigen Stücks alles in Flimmern und Rauschen auflöst, denkt man unweigerlich, dass man aus dieser opulenten Songkollage gleich ein ganzes Album hätte machen können, seine Vielseitigkeit tröstet dann auch problemlos über klangliche Eigentümlichkeiten hinweg. Wesentlich schlichter gehalten die T Rex-Interpretation „Warlord of the Royal Crockodiles“, die ein Popsong voll rauer Verzerrung geworden ist.

„Children of the Sun“ unterscheidet sich in vielen Punkten sehr von Alben wie „Soon You Will All Die…“, es ist weniger abstrakt, aber auch technisch betont schlichter gehalten und beansprucht so einen Sonderstatus in der Diskographie der Band. Als CDr mit handgemaltem Artwork erschien das Album bei AntiClock und ist auf fünfzig Einheiten limitiert, eine Vinylversion ist ebenfalls angekündigt. Tip für alle, die Trench auch einmal etwas „unfolkiger“ hören wollen.

Label: AntiClock