HOW MUCH WOOD WOULD A WOODCHUCK CHUCK IF A WOODCHUCK COULD CHUCK WOOD?: s/t

Wie viel Holz würde ein Murmeltier hacken, wenn ein Murmeltier Holz hacken könnte? Ich weiß es nicht, aber ich vermute mal, dass die Turiner Gher, Coccolo und Iside, die ihre Band nach diesem Zungenbrecher, einem englischen Pendant zu unserem “Fischers Fritz” benannt haben, wohl noch öfter in Interviews beweisen müssen, dass sie ihren eigenen Bandnamen fließend aussprechen können. Manche behaupten, der merkwürdig onomatopoetische Singsang des Namens sei nicht nur einprägsam, sondern würde mit seinen Assoziationen von Waldeinsamkeit und verschlafenen Nagern mit Superkräften auch die Musik des italienischen Trios ganz gut wiedergeben. Vorweg: Ich stimme dem nur zu unter der Einschränkung, dass sie keine Romantiker sind.

Woodchuck, wie ich sie hier der Einfachheit halber nenne, haben bislang eher mit Konzerten und kleineren Veröffentlichungen auf sich aufmerksam gemacht. Die größte Beachtung wurde ihrem ebenso introvertierten wie intensiven Dronefolk vermutlich auf der Split 7” mit Father Murphy oder auf der CD zum letztjährigen “Occulto”-Magazin zuteil. Potential für ein größeres Release besteht seit Jahren, weshalb die vorliegende LP auch längst überfällig war.

Die Grundelemente der sechs Stücke, die sich stets an der Schnittstelle von Songs und Soundscapes bewegen, sind schnell benannt: Eine akustische Gitarre und zirkuläres Finger Picking, das eine derart stilvoll phlegmatische Doom-Stimmung verbreitet, das sich lichtere Momente ebenso deutlich abzeichnen wie minimale Veränderungen der Akkordfolgen und des Tempos. Dazu eine leichte Verzerrung, die zwar nur gelegentlich in Lärm umkippt, die jedoch auch in minimaleren Ansätzen jedem düsteren Schönklang entgegenwirkt. Und nicht zuletzt eine tiefe, raue Stimme, deren Murmeln mal ins Singen, mal in lyrischen Vortrag kippt. Das Labelinfo führt zum Vergleich klassische World Serpent-Acts an, wobei ich in dem Kontext am ehesten an die Hank Williams-Interpretationen von Bryin Dall denken muss, vom Gesang her außerdem an Karl Blake. Mit etwas Fantasie klingt „Joy and Rebellion“, als hätten Shock Headed Peters den Verstärker entstöpselt und den Score zu einem Sam Packinpah-Western eingespielt – zwischen den desolaten Akkorden erwartet man regelrecht das Rasseln einer Klapperschlange. Das bleibt zwar leider aus, aber schamlos zweckentfremdete Surf-Twangs entschädigen voll und ganz.

Insgesamt ist die Band jedoch um allzu konkrete Vergleiche erhaben, und bei mehrmaligem Hören entfalten die einzelnen Stücke allen roten Fäden zum Trotz ihr jeweiliges Eigenleben. Mich beeindrucken gerade die etwas unscheinbareren Songs der zweiten Seite: “Oh Dark“, ein cooler Downer mit einem Touch von Bluesrock, v.a. aber „The Rock“, eine atmosphärische T.S. Eliot-Lesung auf der Basis eines zittrigen Drones.

Die drei Turiner mit ihrem urigen Akustiksound sind Teil einer kleinen, aber bemerkenswerten musikgeschichtlichen Verschiebung, die sich seit Jahren ohne viel Marktgeschrei in Italien ereignet. Bands wie Woodchuck (und ebenso die genannten Father Murphy, Heroin in Tahiti, La Piramide di Sangue etc.) docken an zahllose Traditionen an, gestalten die Landkarte italienischer Musik neu und lassen vieles hinter sich, was man hier so über die klassischen Industrial-Labels mit italienischem Underground assoziiert. Ob das am Ende etwas regionalspezifisches ist oder einfach nur gut, wird die Zukunft zeigen.

Label: Avant!/Boring Machines