ALASDAIR ROBERTS AND FRIENDS: A Wonder Working Stone

Gemessen an seinem Folk-Image ist der in Deutschland geborene Schotte Alasdair Roberts ein echter Kosmopolit. Dass seine stilistischen Wurzeln primär dem anglophonen Raum entstammen, tut der Sache keinen Abbruch, denn seine Zusammenführung traditioneller Spielweisen beiderseits des Atlantik unterscheiden sich recht stark von den sonst üblichen Synthesen. Bei den meisten Kollegen wirkt eine der beiden Einflusssphären sekundär, oder man bereichert die typischen Elemente der einen Tradition mit den untypischen der jeweils anderen. Roberts dagegen stellt auf seinem neuen Album das balladeske Pathos der britischen Inseln an die Seite amerikanischer Lavishness, lässt coolen Texmex auf schottischen Dialekt und euphorische Violinensoli treffen, die man hierzulande gerne mit Irish Folk assoziiert – und dies mit einer Selbstverständlichkeit, dass man ihm glauben würde, sollte er behaupten, all dies gar nicht bewusst anzustreben.

Auf „A Wonder Working Stone“ geht es auch kaum um „Meta-Folkloristisches“, wenngleich einer der großartigsten Songs auf dem Album den Titel „Fusion of Horizons“ trägt. Sucht man nach einem leitmotivischen Grundtenor in den Songtexten, so fällt eine ungewisse, aber hoffnungsfrohe spirituelle Suche ins Auge, die in fast allen der anekdotenreichen Songs zur Sprache kommt, ebenso wie das typische Geschichtskolorit der High- und Lowlands. Dafür bildet der hybride Stil allerdings ein originelles Fundament.

Vom Vorgänger „Too Long in this Condition“ unterscheiden sich die neuen Stücke vor allem durch die stärkere Klangfülle und die größere Variationsbreite beim Instrumentenspiel. Dass es sich beim Vorgänger um ein fast reines Coveralbum handelte, gerät fast ins Hintertreffen, könnte es sich bei seinen Lyrics doch glatt um Exponate der klassischen Balladenkunst handeln. Nach dem noch etwas unspektakulären Auftakt „The Merry Wake“ kommt schon mit dem biografisch geprägten „The Year of the Burning“ der erste Kracher, bei dem Rock und Blues Einzug halten und mehrstimmiger Gesang zum Mitsingen einlädt. „Love is a fusion of horizons…“ ertönt der schon erwähnte Song, und Roberts ist dabei so nah am Falsett, dass er glatt Leuten mit hippen Frisuren gefallen könnte. Neben solch energetischen Stücken bieten bittersüße (sprich: in Moll gehaltene) Schmonzetten ein starkes Gegengewicht. Melodrama ist dabei durchaus gestattet, doch die stimmungsvollen Akkorde sind nie zu dick aufgetragen, die sporadisch eingesetzten Handclaps geraten nie zum Mittelalterkitsch. Gegen Ende kulminiert alles in einer Feierstimmung, die mir fast ein bisschen zu sehr nach Klamauk klingt.

Roberts schätzt den Dialog seit Beginn seiner Karriere, man denke zurück an sein gut aufeinander eingespieltes Ensemble Appendix Out, aber auch an seine Zusammenarbeit mit Größen wie Neil Young, Bonnie ‘Prince’ Billy, Isobell Campbell (Belle and Sebastian) oder Alex Neilson (Trembling Bells, Current 93). Hier musiziert der Schotte nun zum zweiten mal mit einem feststehenden Kollektiv, das unter dem Zusatz & Friends den Weg auf’s Cover fand. Die Stimmigkeit und Passgenauigkeit der Combo zählen zu den Stärken des Albums. Wer ebenfalls auf der Suche ist, sollte sich „A Wonder Working Stone“ nicht entgehen lassen – ob er den Stein der Weisen entdeckt, will ich nicht garantieren, aber einen exzellenten Einstieg in die Welt zeitgenössischer schottischer Folkmusik findet man hier allemal.

A. Kaudaht

Label: Drag City