Gruppenausstellung beim Epicurean Escapism Festival II: Alex Tennigkeit, Andrew Liles, Carmen Burguess, Dennis Rudolph, Philip Best, Rudolf Eb.er

Am 15.06.2013 findet in Berlin das zweite Epicurean Escapism Festival statt, im Zentrum stehen Konzerte der Post Industrial-Acts Ke/Hil, Post Scriptvm, Dieter Müh, Anemone Tube und Trepaneringsritualen, darüber hinaus werden Super 8-Filme von Mike Dando als Untermalung zu ausgewählten Stücken seiner Band Con-Dom gezeigt. Zu den Programmpunkten zählt außerdem eine Gruppenausstellung. Im Vordergrund stehen Gemälde, Zeichnungen und Fotokollagen von sechs internationalen Künstlern. Die meisten von ihnen stehen im engeren Kontext zu (Post-)Industrial und experimenteller Musik. Die in Berlin lebende Malerin Alex Tennigkeit steuerte bereits Artwork für das Anemone Tubes-Album “Dream Landscape” bei. Standen zu Beginn ihrer Laufbahn noch Motive der Populärkultur, allem voran die Ikonografie des Hip-Hop und die Ästhetik amerikanischer Filmplakate im Zentrum, widmete sie sich im Laufe der Zeit vermehrt Themen der abendländischen Malerei. Ein besonderer Schwerpunkt liegt seit dem auf Motiven und Darstellungstechniken des Barock. In ihren allegorischen Sujets treffen Vanitassymbole auf demonstrative Erotik und Szenarien exzessiver Brutalität. In den meisten Darstellungen ist es der weibliche Körper, der bei aller Schönheit einen morbiden Zug offenbart und von Vergänglichkeit ebenso wie von Bedrohung kündet. Dass die Künstlerin dabei meist ihr eigenes Abbild als Projektionsfläche nutzt, gibt ihren Bildern eine interessante Mehrdeutigkeit, bei der Aspekte der Ichwerdung mit überzeitlichen Symbolen korellieren. Das Konzept fand seinen bissherigen Höhepunkt in der Reihe „Selbst als Allegorie“, aus der „Libra“, eines der hier zu sehenden Gemälde, stammt.

Andrew Liles ist vor allem als Musiker bekannt. Von Haus aus mit Gitarre und Piano sozialisiert, entwickelte er irgendwann ein Interesse an der kollagenhaften Schichtung manipulierter Klänge. Mittlerweile blickt er auf ein umfangreiches Werk zurück, zu seinen Soloarbeiten und Kollaborationen kommt seine mittlerweile maßgebliche Mitgliedschaft bei Nurse With Wound und Current 93 hinzu. Die Gestaltung der Tonträger spielte von Beginn an eine wichtige Rolle, nach anfänglichen Arrangements mit Puppen, sowie Experimenten mit der Ästhetik des viktorianischen Zeitalters, konzentrierte sich sein Fokus spätestens seit der „Monster“-Reihe auf einen bunten Comicstil mit grotesken, erotischen Motiven. Seit einiger Zeit ist Liles auch unabhängig von seinen Tonträgern künstlerisch aktiv. Die Feder- und Bunstiftzeichnungen auf schwarzem Tonpapier repräsentieren eine ganz andere, gleichwohl nicht weniger bizarre Seite seines Schaffens. Aus denm leuchtenden Farbenspiel floraler Linien entstehen figurative Formen von unheimlicher, dämonischer Ausstrahlung, die an Psychedelic und Folk Art erinnern.Auch die Argentinierin Carmen Burguess führt eine Doppelexistenz als Musikerin und visuelle Künstlerin. Neben ihrer Rolle im Post Punk-Duo Mueran Humanos arbeitet sie in den Bereichen Kollage und Zeichnung. Während ihre Zeichnungen meist als Illustrationen für Magazine und literarische Publikationen Verwendung finden – am Namhaftesten bisher eine spanischsprachige Ausgabe von Gedichten Lovecrafts – widmet sie ihre Fotokollagen primär eigenen Ideen. Die bei EEF gezeigten Digitalkollagen entstammen dem Umfeld ihrer Reihe „Seventeen“, einer ironischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des modernen Schönheitsideals und dessen Präsentation in Lifestyle-Magazinen. Die Arbeiten zeugen von einem Faible für den Stil der 50er und frühen 60er Jahre, als das Schönheitsideals der Massen noch vergleichsweise unverbraucht war und einen naiven Charme ausstrahlte. Mit dieser idealisierenden Unbekümmertheit brechen Burguess’ fiktive Magazincover, setzen durch Verzerrung und den Einbezug von Narben und Wunden auf direkte Schockwirkung ganz im geiste plakativer Unpop Art. Die hier gezeigten Arbeiten sind Studien zu dieser Reihe und zeigen die Covergirls losgelöst von Kontext der Magazine.Der Berliner Maler Dennis Rudolph wird gelegentlich als Chronist kulturellen Verfalls bezeichnet, was allerdings einer stark verkürzten Rezeption von Teilen seines Werks entspricht. Mit einer Vielzahl alter Techniken wie Ätzradierung, Cyanotypie und Tafelbild erforscht Rudolph das westliche Selbstbild in all seinen ideengeschichtlichen Dimensionen. Seiner offenkundigen Vorliebe für die figurative Ästhetik der klassischen Moderne und v.a. des Symbolismus entspricht die stets in der Schwebe gehaltene Ambiguität aus hoffnungsfroher, fast obsessiver Aufbruchstimmung und einem Bewusstsein des Untergangs. In all seinen favorisierten Gattungen – Porträt, Allegorie, Landschaftsgemälde – durchzieht das Spannungsgefüge zwischen Morgenröte und Apokalypse die Tableaus. Dieser ambivalente Zug findet sich auch im Pathos seiner vielleicht brisantesten Arbeit, der „Deutschen Ahnengalerie“ mit Charakterköpfen der 30er und 40er Jahre, die den Geist dieser Zeit in all ihrer fanatischen Entschlossenheit einfangen.Philip Bests musikalische Arbeiten für Consumer Electronics und Whitehouse sowie als Teil von Ramleh sind weitgehend bekannt, vor einigen Jahren hat er die Fotokollage als visuelles Ausdrucksmedium für sich entdeckt. Auf den ersten Eindruck mag man sich wundern, dass seine Bilder wenig von der klinischen Kälte und Direktheit ausdrücken, die man angeschtis seiner Musik vielleicht erwartet hätte. Best sammelt seit Jahren Bilder aus älteren Magazinen und Prospekten, aus denen er kontrastreiche Sujets von subtiler Bedrohlichkeit entstehen lässt. Auf motivischer Ebene finden sich vor allem Naturaufnahmen und Darstellungen von Kindern, die zunächst Assoziationen romantischer Art wecken. Die Unbekümmertheit der abgelichteten Kinderfiguren erhält allerdings schon auf den zweiten Blick starke Brüche, da sie mit Naturphänomenen kombiniert werden, die dem jeweiligen Szenario einen unheilvollen Zug geben. Dunkle Himmel wie vor einem Wolkenbruch, Tiere bei der Jagd und immer wieder der Wald, der als Dickicht erscheint oder selbst der Zerstörung durch Brand und Umweltschäden ausgesetzt ist. In feinen Andeutungen lassen einige Motive den Verlust des paradiesischen Urzustandes als etwas gewaltsam herbeigeführtes durchscheinen, als eine Gewalt, die großen Interpretationsspielraum lässt und bei genauerem Hinsehen auch sexuell aufgeladen sein kann.Der in Japan lebende Künstler Rudolf Eb.er ist Gründer des Kollektivs Schimpfluch und v.a. unter seinem Projektnamen Runzelstirn & Gurgelstock bekannt, mit dem er seit den späten 80ern auf Tonträgern und mit „rituellen“, multimedialen Performances von sich reden macht. Eb.er wird oft als Schamane des Art Brut charakterisiert, dessen psychodynamische Akustik und Grafik auf verborgene Regionen der menschlichen Psyche fokussiert sind. Wie der Begriff Schamane schon impliziert, geht es dabei nicht bloß um ein anlytisches Erforschen, vielmehr ist in all seinen Arbeiten eine kathartisch-therapeutsche Funktion intendiert, die er selbst als Konfrontation „mit Existenz“ bezeichnet. Seine Darstellungen des Menschen sind einer konsequenten Überschreitung von Körpergrenzen verpflichet und stehen im Gegesatz zu jedem idealistisch-cleanen Körperbild moderner, aufgeklärter Provenienz: Der Körper als Abjekt, der Körper in verschiedenen Graden der Deformation etc. Seine Performances bleiben wirkungsästhetisch im Spannungsgefüge zwischen Humor und latentem Unwohlsein und lassen Assoziationen zu Dada, Fluxus und den Wiener Aktionisten anklingen. Die hier gezeigten Fotoarbeiten sind Teil der Reihe „Psychopompos“.

Epicurean Escapism Festival