ROZZ WILLIAMS: Sleeping Dogs

Durch die in den letzten Jahren (wieder)veröffentlichten Aufnahmen von Rozz Williams’ Projekt Premature Ejaculation, die wir auch auf dieser Seite regelmäßig besprochen haben, wurde der experimentelle Teil des Werkes des Kaliforniers in den Mittelpunkt gerückt, wobei Williams’ (Ver)Kult(ung) natürlich primär auf dem Frühwerk von Christian Death gründete, durch das er zur Gothic-Ikone schlechthin wurde und Stoff für gleich mehrere Hagiographien lieferte, denn das 1982 erschienene Debüt „Only Theatre of Pain“ diente -gerade auch ästhetisch- als Blaupause für zahlreiche oftmals weniger inspirierte Bands. Dabei waren Williams’ musikalische Einflüsse und Interessen vielseitig(er) und ließen sich -zumindest dann, wenn es um Songorientiertes ging- oftmals klar in den 70ern verorten.

1993 war eine Shadow Project-Tour durch Deutschland angekündigt, allerdings hatte sich die Band zwischenzeitlich aufgelöst und Williams spielte bei den Auftritten mit neuen Mitmusikern zwar (auch) Shadow Project-Songs, aber in kompakterer, rockiger Form. Unter dem Projektnamen Daucus Karota wurde dann auch kurz darauf die 10”-EP „Shrine“ aufgenommen, die einen Musiker zeigte, der sich dem engen Korsett, in das ihn Fans pressten, zu entwinden versuchte. Im Laufe der Jahre spiegelte sich dies auch immer wieder in den Songs wider, die gecovert wurden: u.a. Stücke von Lou Reed, Velvet Underground, Gary Numan, Alice Cooper, Roxy Music, T-Rex, Stooges und (immer wieder) David Bowie. Dass der „thin white duke“ schon sehr früh ein zentraler Einfluss war, konnte man spätestens auf dem zweiten, 1984 erschienenen Christian Death-Album „Catastrophe Ballet“ erkennen, auf dem Williams teilweise auf unheimliche Art wie ein Wiedergänger Bowies klang.

Die nun veröffentlichte Doppel-LP „Sleeping Dogs“ enthält (oftmals unveröffentlichte) Songs, die auf vier Konzerten zwischen 1993 und 1997 aufgenommen wurden. Knapp die Hälfte sind Coverversionen (wobei das in den Credits des Albums leider nur lückenhaft angegeben ist): Marc Bolans „Sunken Rags“ (hier als „Sunken Rex“ aufgeführt), „Raw Power“ der Stooges, das in seiner Studioversion auf „Shrine“ zu finden ist, Lou Reeds „Kill Your Sons“, das er Anfang der 90er auch mit den kurzzeitig reformierten Christian Death neu interpretierte und insgesamt drei Stücke Bowies: „Dodo“, „Moonage Daydream“ und „Time“. Auf letzterem wird Williams am Keyboard begleitet und „Time“ erinnert dann auch etwas an das mit Gitane Demone aufgenommene Album „Dream Home Heartache“. Das auf „Sleeping Dogs“ ebenfalls enthaltene „Flowers“ von eben diesem Album wird in etwas rockigerer Form gespielt. Die meisten der anderen Stücke erinnern an „Shrine“, wobei das treibende „Bruised“ oder „2nd Step“ zu den Höhepunkten gehören. Insgesamt ist „Sleeping Dogs“ ein erstaunlich homogen klingendes Album. Man ginge sicher zu weit, wenn man sagen würde, hier handele es sich um eine Art verschollenes Album – es hieß immer wieder, Williams habe ein ganzes Daucus Karota-Album aufnehmen wollen -, aber weit mehr als eine disparate Zusammenstellung ist „Sleeping Dogs“ bei weitem. Da der Klang durchgängig gut ist, dürften auch die, die vielleicht den einen oder anderen Track lediglich von Bootlegs kennen, zugreifen.

Ein Sprichwort sagt: „Let sleeping dogs lie“ – man kann froh sein, dass dies nicht befolgt wurde.

M.G.

Label: Going Underground