MAI MAI MAI: Theta

Toni Cutrone, der sein Soloprojekt Mai Mai Mai nennt, ist eine umtriebige Person und hat der Undergroundszene Roms schon in jungen Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Gerüchte künden von einer Kindheit in der griechischen Ägäis und Reisen quer durch Europa und den mittleren Osten. Italiener rollen allerdings mit den Augen, wenn das zur Sprache kommt. Ein moderner Münchhausen? Das wäre bei jemandem, der meist mit Maske auftritt, nicht so verwunderlich, doch einige seiner Taten sind offiziell verbrieft: Sein rühriger Club, sein Label und die Bands Hiroshima Rocks Around und Trouble Vs. Glue, mit denen er Noiserock und ein Stilungetüm namens Spastic Pop spielt.

Ein vielbeschäftigter Mann also, bei dem die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit fließend ist – was würde da besser passen als eines der vielen Chill-, Witch-, Ghost- oder Drag-Genres, die ich nie wirklich zu unterscheiden gelernt habe, weil es auch ohne Belang ist. Toni sah das ähnlich und hat mit „Theta“ ein Album aufgenommen, mit dem er vor zwei oder drei Jahren mit all den Salems und Ritualz in einem Satz genannt worden wäre. Was rechtfertigt nun heute noch ein Album dieser Art, was sind die Alleinstellungsmerkmale des maskierten Mannes?

Es wäre mühsam, an der Stelle die asiatisch anmutende Perkussion in einem der rhythmischeren Stücke anzuführen, die schon bald mit Lärmsalven verschmilzt, bevor sie von einem hauchigen Frauenchor begleitet (vermutlich Toni selbst) hinter der beschlagenen Glasscheibe eines geschmeidigen Drones verschwindet. Ähnliches gilt für die kräftigen, testosteronhaltigen Vocals, die dem atonalen Chaos des „Muo“ betitelten Stücks die Krone aufsetzen. Auch die unpolierte Metallperkussion, bei der man unentschlossen bleibt, ob man an die Neubauten oder Offizine Schwartz, oder doch eher an ein Pop-Quartett aus dem englischen Basildon denken soll, bilden da kein Kriterium – zu sehr zählt das Anverwandeln von so ziemlich allem, was die Regale des popgeschichtlichen Warenhauses füllt, zu den Standards solcher Musik, auch das Passendmachen von (vermeindlich) Unpassendem. Vielmehr demonstriert „Theta“ mit diesen und anderen Zutaten, dass es auch bei einer gestern gehypeten Musik nicht immer um die Frage der immer noch möglichen Innovation gehen muss. Mit allzu Typischem – glatte, verhallte Synthies, Eispickel-Rhythmen und monotone Handclaps – hält er sich ohnehin nur wenig auf, und so sind es auch eher die urigeren Momente, die überzeugen. In „Noeo“ weiß er, wie man mit Reduktion Spannung erzeugt, nervt zwischendrin ein wenig mit trashigen Plastiksounds und belohnt mit einer Fabriksymphonie, bei der man unweigerlich an einschlägige französische Industrial-Pioniere denken muss. Und wer weiß, vielleicht sind die mythologisch/astronomischen Anspielungen ja viel ernster gemeint, als man denkt.

Das Album wurde mit kompetenter Unterstützung von Jamie Stewart (Xiu Xiu) fertiggestellt und ist in einer Auflage von 300 schwarzen Scheiben erschienen. (U.S.)

Label: Boring Machines