VORTEX: Kali Yuga

Dark Ambient ist oftmals weniger Musik zum Beschallen von Räumen, sondern vielmehr der Versuch klanglich einen locus horribilis zu erzeugen. Dabei bietet sich eine Bezugnahme auf seit Jahrtausenden existierende Vorstellungen vom Ende der Welt natürlich besonders an. Diese Vorstellungen, die in krisenhaften Situationen „den Bewusstseinsmarkt und die Kulturindustrie“ (K.L. Pfeiffer) überschwemmen, werden häufig als apokalyptisch bezeichnet, dabei wird der Begriff Apokalypse als Synonym für Weltuntergang verstanden, damit allerdings seiner ursprünglichen Bedeutung (Enthüllung) beraubt, da vergessen wird, dass nach dem Untergang, dem Weltenbrand, dem jüngsten Gericht, ein neues, goldenes Zeitalter anbricht, das neue Jerusalem entsteht, der Ankunft der „black ships“ „a million sunrises“ (D. Tibet) folgen. Diese verkürzten Lesarten hat der Literaturwissenschaftler K. Vondung dann auch treffenderweise als „kupierte“ Apokalypsen bezeichnet.

Das deutsche Einmannprojekt Vortex hat mit all seinen bisherigen Veröffentlichungen gezeigt, dass es gerne konzeptionell arbeitet; auf dem neuen Album wird schon durch den Titel und die Linernotes im Booklet explizit auf die aus der hinduistischen Tradition stammende Idee von verschiedenen Weltzeitaltern, die die Welt durchlebt, verwiesen, wobei das letzte der vier Zeitalter, das Kali Yuga – und damit wären wir wieder beim anfangs Thematisierten – das verderbteste ist. Dabei geht es allerdings – wie im Text betont wird – weniger um das Konzept an sich als um seinen metaphorischen Wert für die heutige Zeit und konsequenterweise wird gleich zu Beginn postuliert, dass unser gegenwärtiges Zeitalter von Gier und Ignoranz geprägt, verdorben und seiner Spiritualität beraubt sei. Dies hinterlässt ambivalente Gefühle: Zum einen meint man, es solle mal wieder die gern gespielte kulturpessimistische Saite zum Klingen gebracht werden, andererseits verspürt man aber durchaus eine gewisse Sympathie, kann man das Gesagte (zumindest temporär) nachvollziehen, wenn man an die von dem Motto „Geiz ist geil“ getriebenen, WhatsApp verschickenden und vor ihren Flachbildschirmen -Bradburys „parlor walls“ sind da nicht mehr weit- vegetierenden Zombies denkt.

Musikalisch bedient man sich zwar durchaus einigen Stilmitteln des Dark Ambient (Dröhnen, Hall), ergänzt diese aber u.a. durch perkussive Momente, die einigen Stücken einen rituellen Charakter verleihen (sollen). Das das Album eröffnende „Kali Yuga Anthem“ ist vielversprechend, diese „Hymne“ arbeitet mit repetitiven Stimmen und lärmigen Passagen, die dieses dunkle Zeitalter vor dem Ohr des Zuhörers entstehen lassen. „Confusion“ dagegen kombiniert getragene Klangflächen mit treibender Perkussion. Von der Stimmung knüpft „Prayer for the Iron Age“ etwas daran an, ist durch den Einsatz von Flöten und weiblicher Stimme aber variantenreicher. „Kali Yuga Ritual“ klingt durch die anfängliche Fokussierung auf die Perkussion wesentlich archaischer und lässt an Zero Kama denken, bevor der Track getragen ausklingt. „Martial Destiny“ erinnert durch seine tribale Perkussion kurzzeitig an Hunting Lodge. Stücke wie „Dawn of the Iron Age“ oder „Techno Crisis“ lassen sich eher im Dark Ambient verorten, enthalten aber melodische Texturen, die sehr stimmig und stimmungsvoll sind. Auf „Gods of the Desert“ hört man -dem Titel entsprechend- orientalische Passagen. Passenderweise klingt das Album mit „Kalki the Destroyer“ aus, schließlich ist Kalki die finale Inkarnation Vishnus und kommt am Ende des Kali Yuga, um die Verderbten zu richten (etwas, das man in der einen oder anderen Subkultur spätestens seit Current 93s „Thunder Perfect Mind“ weiß). Was danach kommen wird, ein Satya Yuga, eine Besinnung auf weniger Materielles, wird sich zeigen – die Vorstellung des Autors dieser Zeilen ist aber tendenziell eher kupiert.

(J.M.)

Label: Cyclic Law