Die Liebe hat in der Popkultur seit jeher einen schweren Stand – nicht dass ihr keine interessanten Schöpfungen gewidmet wären, doch ihre Zahl ist gering im Vergleich zu all dem Eskapismus der dummen Weiber und Kerle, der die weite Welt der liebestrunkenen Lieder, Filme und Romane überschwemmt. Es dauerte bis in die Zeit des Punk und Wave, als über den Abschied vom „Peace and Love“-Motto der 60er kritische Absagen an die schmachtvolle Liebesutopie auch lowbrow salonfähig wurden. „This is not a lovesong“ hies die Devise, es war die Zeit der verhuscht unterkühlten Umwege, der murder ballads, der ironischen Brechungen und subtilen Ausnahmen. Seit dieser Zeit muss ein Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Reviews
ESPECTRA NEGRA: Savage Justice
Schon der Projektname und der Titel dieser Veröffentlichung legen nah, dass es hier ausgesprochen düster und archaisch zugeht. Espectra Negra, das schwarze Gespenst, ist das aktuelle Soloprojekt der aus Mexico stammenden Noiserin Verónica Mota Galindo, deren meist zwischen Ambient und postidustrieller Klangkunst verortete Sounds bereits in Gruppen wie Cubop, The Sublime und The Devil And Miss Jones zu hören waren. Das 5-Track-Tape “Savage Justice”, auf dem auch Drums von John Murphy zu hören sind, mag für ein Konzept(mini)album zu heterogen ausgefallen sein, doch sind die kompakten Szenarien aus diversen Erdteilen von roher Gewalt und religiös eingefärbtem Ritualismus zusammengehalten. Weiterlesen
HOLGER CZUKAY: Der Osten Ist Rot_Rome Remains Rome

HEROIN IN TAHITI: Canicola
Wenn Musiker die Sonne, die Flora und die regionalen Bräuche ihrer Länder besingen, endet das nicht selten im Postkartenkitsch, v.a. wenn es sich bei dem Land auch noch um ein beliebtes Touristenziel handelt. Wer Heroin in Tahiti kennt, weiß allerdings, dass sie unter exotischem Charme etwas anderes verstehen, denn ihre im Zeitlupen-Surfsound beschworenen Südseesettings strahlten eine dreckige Düsternis aus, die mehr mit einem Neo Noir-Streifen gemein hat als mit einem auf Hawaii spielenden Elvis-Schinken. Wer die römische Band in den Jahren ihres Bestehens etwas genauer verfolgt hat, der erinnert sich vielleicht daran, dass sie sich auch schon ihrer italienischen Heimat gewidmet haben. Weiterlesen
OTHON: Pineal
Dass das dritte Album des Pianisten Othon Matagaras nach dem kleinen Organ im Gehirn benannt wurde, das durch die Melatoninproduktion den Tag-Nacht-Rhtyhmus steuert, überrascht nicht, denn – und das dürfte bei der Titelwahl entscheidender gewesen sein – in esoterischen Kreisen wurde die Zirbeldrüse über die Jahrhunderte als Sitz der Seele, als drittes Auge gesehen und schon auf seinem ersten Album „Digital Angel“ wurde deutlich, dass Othon Konzepte schätzt und dass es nicht selten in seinem Schaffen um Transformation(en) geht. Weiterlesen
IRMLER & LIEBEZEIT: Flut
Jaki Liebezeit, den man vor allem als CAN-Drummer kennt, dessen Wurzeln aber im Jazz liegen, begreift Notation und alles schriftlich Festgelegte in der Musik als enges Korsett, das den freien Fluss von Klängen, die nur scheinbar repetitiven Mustern folgen, zum Versiegen bringt: „Musical bars are like prison bars“, heißt es im Booklet des mit Hans Joachim Irmler (Faust) aufgenommenen Albums, das den bezeichnenden Titel „Flut“ trägt. „Flut“, das nur auf Orgel und Schlagzeug basiert, entstand im letzten Sommer in drei kurzen Sessions im Allgäuer Städtchen Scheer, unweit dem Donauufer. Weiterlesen
ANNA CALVI: Strange Weather
Unter den Newcomern des laufenden Jahrzehnts belegt die Britin Anna Calvi einen der renommiertesten Plätze, ihr Debüt bescherte ihr zahlreiche Fans und gute Kritiken. Dass alte Recken wie David Byrne und Nick Cave ihrem Zauber erlagen und entsprechend Starthilfe gaben, wurde fast immer als verdient erachtet, selten wurde über Beziehungen und Patronage geunkt. In der Tat sind ihre Songs, die meist auf gezupften E-Gitarren oder Harmonium basieren, auf eine nur schwer festzulegende Weise geheimnisvoll und zugleich enorm wuchtig. Und auch wenn man sie nicht als Callas an der Gitarre bezeichnen muss, ist die Frau mit der wandlungsfähigen Stimme Weiterlesen
BIRD PEOPLE: King Of The Grove
Ein mysteriöses Volk sind sie, die Wiener Vogelmenschen, die sich mit ihrem feinmaschigen Soundgewebe dem Klang eines Kolibriflügels annähern wollen. Je nach Kontext kann das flapsig oder pathetisch klingen, doch der Eindruck muss zwangsläufig eine andere Richtung nehmen, ist man erst einmal in die Musik eingetaucht, die Ulrich Rois und seine Mitstreiter unter dem Namen Bird People spielen. Weiterlesen
RUTGER ZUYDERVELT: Stay Tuned
Der Besuch eines Orchesterkonzertes ist im Schnitt eine eher frontale Angelegenheit und findet im Sitzen statt. Auf der einen Seite die konzentriert arbeitenden Musiker, auf der anderen die Zuhörer im Modus passiver Kontemplation. Rutger Zuydervelt, der normalerweise in der Elektroakustik zuhause ist und bei seinen Solokonzerten unter dem Namen Machinefabriek recht flexibel mit seinen Settings umgehen kann, verwirklichte im letzten Jahr die schon länger entwickelte Idee eines begehbaren Orchesters. Was er unter dem Namen „Stay Tuned“ in Kanada un den Niederlanden aufführte, gehört allerdings eher in die Bereiche Installation und Environment als in den Weiterlesen
FUTEISHA: Dannato
Man kann Futeishas „Dannato“-Tape nicht im engeren Sinne als Apokalyptic Folk bezeichnen, und doch sollte der Bezug zu dieser Traditionslinie nicht unterschlagen werden. Nicht, weil Juan Scassa, einer der Gitarristen von La Piramide di Sangue, in seinem Soloprojekt molllastige Akustiksongs spielt und schon im Titel (gr. „thanatos“) auf letzte Dinge deutet. Auch nicht bloß, weil der aus Argentinien stammende Turiner neben anderen Vorlieben auch auf die alte World Serpent-Schule schwört. Eher deshalb, weil man unter Futeishas mystischen Psychedelia heute Dark Folk verstehen könnte, wenn sich die Dinge in den greater times etwas anders entwickelt hätten und sich die Weiterlesen