SOL INVICTUS: Once Upon A Time

Über Tony Wakeford und Sol Invictus ist viel geschrieben worden, über manches so viel, dass es einem schon zu den Ohren herauskam. Eine Sache, die nur gelegentlich zur Sprache kommt, ist die einzige Konstante, die es über die Jahre gegeben hat, und die alle thematischen, ideologischen und musikalischen Wandlungen standfest überdauert hat – gemeint ist Tonys rein musikalischer Beitrag, primär sein Gitarrenspiel, das sich seit Jahrzehnten über eine handvoll Motive spannt, die zwar merklich einfach sind, aber dennoch in puncto Tempo, Akkorde und Klangfarben so einzigartig, dass man Sol Invictus oft schon nach Sekunden aus einer Menge anderer Dark Folk-Bands heraushören kann. Auch sein Gesang hat sich über die Dekaden kaum verändert, allenfalls ist seine Stimme etwas tiefer geworden. Da die Band sich vom Line-up her und inhaltlich immer mal wieder neu erfindet, hat ein derartiges Leitmotiv durchaus seinen Reiz.

Während die inhaltlichen Wandlungen schon eine gewisse Linearität aufweisen (vereinfacht gesprochen von einem heidnisch-antimodernen zu einem existentialistisch-liberalen Sarkasmus), kommen die Veränderungen in Lineup und Instrumentierung oft überraschend, denn zwischen dem mal folkigen, mal punkigen, mal lärmigen Frühwerk, dem virtuosen Bandsound mit Howden, Doherty und andern in den 90ern, der rauen „Devil’s Steed“ und der opulenten „Cruellest Month“ besteht keine logische Kontinuität, vielmehr bestimmen die jeweiligen Mitglieder die musikalische Gewandung. Zu denen zählen auf dem aktuellen „Once Upon a Time“ auch zwei amerikanische Metaller, und so ist diesmal etwas dazugekommen, das man bei Sol Invictus bisher nicht finden konnte – Rock weit jenseits von lärmigem Bassgeknarre.

Positiv zu bewerten ist daran, dass die Beiträge, bei denen vor allem Agalloch-Gitarrist Don Anderson in Vordergrund steht, sich konstant mit dem folkigen Rest verknüpfen und keinen Fremdkörper darstellen. Dem Intro mit dem typischen Tony-Geschrammel verleiht das eine gewisse Schwere, beim ersten Highlight „The Devil On Tuesday “ verschmilzen die elektrifizierten Saiten mit rumpeligen Drums zu einer Progrock-Einheit und bilden einen Kontrast zu Tonys Picking, wie man ihn seit „Thrones“ nicht mehr zu hören bekam, wobei das kniedelige Gitarrensolo auch etwas anstrengend wirkt. Von den Instrumentalstücken überzeugt v.a. „13 Mercies “, das mit seinen Twangs und seinem fast groovigen Bass wie für einen nächtlichen Roadmovie gemacht scheint, und kein kontrastreicheres Setting zur diesigen Dämmerwelt des Vorgängeralbums darstellen könnte. Als Kulisse für Tonys ironischem Pessimismus – was wäre Sol Invictus ohne die obligatorische Allegorie auf das Bösartige, auf religiöse Heuchelei und bornierte Englishness („Mr. Cruel“) und seine parataktischen Gegenüberstellungen von Schönem und Ungenießbarem („The Path Less Travelled “) – eignet sich dieser Schauplatz aber ebenso gut.

Es gibt Stellen, an denen die Rockelemente im Hintergrund blieben, ohne vollends zu verschwinden, in „The Devil’s Year“ gehört die Bühne v.a. der berührenden Violine Renées, in „Our Father“ steht alles im Zeichen eines schmissigen Allegro – der Alte Ritter-Sound dieser Familientragödie en miniature zählt übrigens zu den größten Momenten. Bedauerlich ist auf der anderen Seite, dass das Luftige und Folkige macher Stücke unter der Schwere der Gitarrenparts oftmals erstickt wird, und man am Ende doch nicht vollends überzeugt ist, dass Altes und Neues wirklich harmoniert.

Zweifellos wird „Once Upon a Time“ polarisieren, einige der Fair Isle Jumpers unter den Fans wird es vergraulen, aber vielleicht erschließt die Zusammenarbeit mit Agalloch und Prophecy der Band ja auch ein paar neue Horizonte. (U.S.)

Label: Prophecy