DREW MCDOWALL: Collapse

Hatte man sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass aus der Unfähigkeit und/oder Unwilligkeit der Nachlassverwalter von Coil resultierend, kein Modus zur Wiederveröffentlichung der Alben gefunden wurde, wodurch den Bootleggern kampflos das Feld überlassen wurde, so waren die Coil-Veröffentlichungen der letzten Monate auf andere Weise wenig erquicklich: Da gab es die sowohl vom Design als auch von der Stückzahl her äußerst dürftigen acht Threshold Archives-Veröffentlichungen, die durch ungeschicktes Agieren der/des Beteiligten dazu beitrugen, dass die „Gier“ – das Coil-Zitat „pay your respect to the vultures“ konnte man irgendwann nicht mehr hören – von denen, die mit raren Tonträgern spekulieren, befeuert wurde. Dann wurde (durch Cold Spring und Danny Hyde) der Eindruck erweckt, „Backwards“ sei der „missing link“ zwischen „Love’s Secret Domain“ und „Musick to Play in the Dark“ – was ist mit den „Equinoxe/Solstice“-Singeln? Was mit Black Light District? Aber die passten nicht ganz ins Narrativ – und der einzige Grund, warum das Album in den 90ern nicht veröffentlicht worden sei, seien Auseinandersetzungen mit „grey men“ großer Plattenfirmen gewesen, ganz so, als seien es nicht (auch oder primär) künstlerische Gründe gewesen, die die Band von der Veröffentlichung abgehalten hätten.

Es ist daher umso erfreulicher, dass viele aus dem Umfeld der Band spannende und originelle Werke ablieferten. Cyclobe agieren sowieso seit Jahren in einem künstlerischen Kosmos für sich, Thighpaulsandra veröffentlichte nach langen Jahren des Schweigens als Solokünstler kürzlich ein Grenzen wie Genre sprengendes Doppelalbum, Drew McDowall hat als Compound Eye zusammen mit Tres Warren großartige Droneplatten aufgenommen und tritt nun also (endlich) als Solokünstler in Erscheinung. Auf „Musick to Play in the Dark“ hatte McDowall Coil “very deeply tweaked granular synthesis material” gegeben, und wer die Arbeit des schon lange in New York ansässigen Schotten verfolgt hat, der weiß, was McDowall den Synthesizern für Geräusche entlocken kann. “Collapse” beginnt mit dem zwanzigminütigen Dreiteiler „The Chimeric Mesh Withdraws (Parts 1-3)“, einem Monster aus langsam dröhnenden Synthesizern, aus Klappern, Knistern und in der Ferne (ver)hallenden Analogsounds. Das ist dystopische Musik jenseits billiger Schockeffekte, die eine Menschenleere beschwört, ein „verwitternde[s] Ruinenfeld“ (U. Horstann). Wie dann aber nach einigen Minuten plötzlich melodische Momente und Texturen auftauchen und dem Stück eine andere Stimmung und Dynamik geben, ist schon beeindruckend. Vielleicht eines der besten Stücke Geräuschmusik, die dieses Jahr veröffentlicht worden sind. „Hypnotic Congress“ klingt metallischer, lässt so etwas wie Rhythmus und merkwürdige Stimmfragmente erahnen. Auf „Through is Out“ schallt eine einsame Violine durch eine karg instrumentierte Trauerlandschaft, fast meint man, einen Choral zu hören. Dieses Stück zeigt, wie Akustik und Elektronik etwas erschaffen können, das mehr als die Summe seiner Teile ist. Auf „Convulse“ wird das Sprachsample „I convulsed“ wieder und wieder wiederholt. Im Kontext des Albums ist dieses verhalten rhythmische Stück vielleicht die Nummer für den Club. Beendet wird die zweite Seite des Vinyls von „Each Surface of Night“, einem dunkel dröhnenden Stück. Der hier musikalisch umgesetzte Zusammenbruch lässt wenig Gutes erahnen, aber mit McDowall hat man zumindest einen versierten Chronisten des Untergangs gefunden.  (M.G.)

Label: Dais Records