NEW PROCESSEAN ORDER: CrucifEgo

Nach eigener Angabe ist der New Processean Order keine Band, und das nicht nur deshalb, weil die Besetzung neben Hauptinitiator Alessandro Papa bei jeder Veröffentlichung variiert und sich primär aus bekannten Musikern anderer Projekte zusammensetzt. NPO versteht sich darüberhinaus als musikalischer Arm einer Neugründung der von Robert DeGrimston gegründeten Process Church of the Final Judgement, was ein hehres Anliegen ist. Wie sehr die mitwirkenden Musiker hinter diesem Konzept stehen, ist nicht entscheidend für ihre Teilnahme, und vermutlich sind von persönlicher Freundschaft über Interesse an der musikalischen Umsetzung bis hin zu echter Anhängerschaft alle möglichen Schattierungen vertreten.

Auf der ersten Veröffentlichung des Kollektivs waren Musiker von Kirlian Camera und Teatro Satanico sowie DBPIT und XxeNa vertreten. Auf dem gerade erschienenen zweiten Teil finden sich erneut illustre Gäste wieder, die bekanntesten sind diesmal Marcello Fraioli alias Spectre (Ain Soph), ClauDEDI (Malato, ex-Ain Soph), Marco Deplano (Wertham, Foresta di Ferro) und Simon Ballestrazzi (Kino Glatz, Dream Weapon Ritual und T.A.C., in denen auch Papa Mitglied war). Der bislang noch recht herkömmlichen elektronischen Ritualsound des Debuts wird somit merklich ausgeweitet.

Das Debüt stand ganz im Zeichen einer hymnischen Huldigung göttlicher Kräfte. Auf „CrucifEgo“ geht es darum, das Ego als Haupthindernis spirituellen Wachstums rituell zu zerstören, was beim ersten Stück auch textlich umnissverständlich klar wird, ohne jede romantische Verklärung, denn es geht um die totale Destruktion unserer imaginären Ich-Grenzen und die Möglichkeit, etwas anderes, bislang ungekanntes entstehen zu lassen – etwas, das das Album auch wieder zum Abschluss bringt, denn auch in der gesampleten Interview-Passage mit C.G. Jung berichtet der bekannte Psychologe von einem anderen Selbst, und wie dieses sich bisweilen über den Kanal eines Wahnsystems Bahn zu brechen versteht. Zu Beginn des Albums erfährt der Hörer ein symbolisches Selbstopfer in Form einer psychoakustischen Rezitation, die repetitive Struktur des Openers suggeriert Konsequenz und wenn am Ende kraftvolle Gitarren und der Gruselfaktor Glocken dazu kommt, hat man das Gefühl, dass sich gerade etwas Bedeutsames ereignet hat.

„CrucifEgo“ ist v.a. ein Album, dass sehr stark über die physische Wirkung starker Emotionen arbeitet, und um dies zu erreichen, ziehen die Musiker etliche Register aus dem großen Fundus okkulter, ritueller Musik, und wenn einem typische Klänge aus dem indischen Kulturraum, „kosmische“ Elektronik oder ein Sound, der gelegentlich an Hilmar Hilmarsons Arbeiten mit Current 93 erinnert, sollte man das nicht als fehlende Eingenständigkeit, sondern als Partizipation am Erfahrungsschatz esoterischer Klänge, als ein Channeln bewährter Strukturen betrachten. Bisweilen, wenn sich über wabernde Synthies ein lateinischer Vortrag entfaltet und die backing vocals von Gloria Bazzocchi für das nötige Kolorit sorgen, kann man gar nicht anders, als an die Ain Soph der späten 80er denken, aber das bleibt ja dann in der Familie.

Dass nicht alle Beteiligten ihre Roots im Industrial haben, kommt dem zuguten, und die vielen hybriden Momente, in denen die Musik zwischen Noise, Folk und leidenschaftlichem Desert Rock changiert, gehören zu den Höhepunkten des Albums und überbrücken auch die eine oder andere Länge. (U.S.)

Label: End of Kali Yuga Editions