SUN CITY GIRLS: Torch Of The Mystics

Eine der Schattenseiten des DIY besteht in der Tatsache, dass viele der zwangsläufig limitierten Veröffentlichungen von relativ unbekannten aber hochrenommierten Bands früher oder später für drei- bis vierstellige Summen gehandelt werden. Ist dies schlicht Teil eines wilden Anarchismus oder doch der unweigerliche Sieg des kapitalistischen Marktes? Ultralibertäre würden sicher beides bejahen und darauf pochen, dass das ohnehin das gleiche sei. Wie dem auch sei, der natürliche Feind des Leichenflädderers ist die Wiederbelebung von Toten, und dank der vorliegenden (klanglich überarbeiteten) Reissue bei Abduction können alle spät auf den Geschmack gekommenen Fans der Sun City Girls nun den Geldmachern bei Discogs und Ebay den Finger zeigen.

Bei dem für Jahre vergriffenen “Torch of the Mystics” handelt es sich um eines der klassischen Alben der Band, und verdient u.a. deswegen Aufmerksamkeit, weil es exemplarisch für einen Zeitraum steht, in dem die Band noch knietief in ihrem ursprünglich neoiserockigen Sound steht, gleichsam aber schon all die Seiten ihres Stils aufweist, für die der Name Sun City Girls später einmal stehen sollte: folkige Ansätze, Einflüsse aus der lateinamerikanischen und vor allem mexikanischen Populärmusik, Zitate aus arabischen und afrikanischen Spielweisen, Morriconeskes etc.

Zusammengehalten wird dies – wie im übrigens die ganze Discografie von Goucher und den Gebrüdern Bishop unabhängig vom jeweiligen stilitischen Schwerpunkt – von einem anarchischen Dada-Feeling, dass sich schon im ersten Track in nahezu allen Aspekten findet: im primitiven Punksound, im nöligen Gesang, im immer mal wieder aus dem Takt geratenden Rhythmus und dem unberechenbaren Tempo. Bei “Tarmac 23″, dessen bluesige Gitarrensoli durch den konsequenten Wackeltakt noch kunstvoller wirken, weiß man kaum, ob man den lallenden Gesang schamanisch oder infantil finden soll, aber genau das macht seinen besonderen Reiz aus. Im Verlauf des Albums differenziert sich das Stilspektrum immer mehr aus, nach dronigen Folksongs mit orientalischen Blasinstrumenten folgt coolster Texmex mit einem Falsettgesang, den man dem heutigen Richard Bishop gar nicht zutrauen würde.

Auch wenn es eine Frage des Geschmacks ist, möchte ich meine persönlichen Favoriten nicht unerwähnt lassen, namentlich das von einer orientalisch anmutenden Leadgitarre geführte “Esoterica Of Abyssynia”, das fast stonerdoomige und nicht unpassend von Grails gecoverte “Space Phrophet Dogon” und das launige “The Shining Path” mit Hirtenflöte und Ohrwurm-Melodie. Das Stück basiert auf dem Folksong “Llorando se fue” von Los Kjarkas, und wem das nichts sagt, der kennt vielleicht die unsägliche Popversion namens “Lambada”, die Kaoma einige Jahre nach den Sun City Girls daraus gezimmert hatten.

Label: Abduction