SWANS: The Glowing Man

In Richard Powers Roman The Time of Our Singing sagt der Ich-Erzähler an einer Stelle: „most people wanted from music not transcendence but simply companionship, a tune just as bound by gravity as its listeners were“. Wer die Swans bei einem ihrer zahlreichen Auftritte erlebt hat, der braucht nicht einmal auf Michael Giras Äußerung zum neuen Album zu verweisen (“I’m decidedly not a Deist, but on a few occasions – particularly in live performance – it’s been my privilege, through our collective efforts, to just barely grasp something of the infinite in the sound and experience generated by a force that is definitely greater than all of us combined.”), der weiß auch so, dass die Musik, die die Swans in den letzten Jahren gespielt haben, tatsächlich weit davon entfernt ist, dem Gesetz der Gravitation zu folgen – wenn man die Metapher wieder aufgreift -, zu sehr waren die Auftritte physische wie die Songform erschöpfende Momente – vielleicht letztlich ein gigantischer Potlatch (wie ich bezogen auf den Vorgänger “To Be Kind” schrieb).

Insofern ist es eventuell letztlich nicht so überraschend, dass Gira einige Zeit vor Veröffentlichung des Albums davon sprach, dass „The Glowing Man“ das letzte in der jetzigen Inkarnation der Band sei, denn nach vier Alben (drei davon Doppelalben) und vielen Tourneen ist vielleicht ein Punkt erreicht, an dem ein Weitermachen in dieser Form einfach nicht mehr möglich ist.

Das Album wird von dem 12-minütigen „Cloud of Forgetting“ eröffnet: Drones, zu denen eine Akustikgitarre und ein Piano hinzukommen. Dann ein Anruf Gottes „Save us“ (Gira selbst nennt das Stück „Gebet“), um am Ende dann „I am blind“ auszustoßen. Das ist ein fast meditatives Stück, das allerdings mit perkussiver Wucht ausklingt. “Cloud of Unknowing” knüpft daran an: Geigen driften ins Atonlale, erst nach sechs Minuten setzt das Schlgazeug ein. Zuerst das Changieren zwischen „Ah I am, I am NOT“, dann schließlich die Ausrufe:„Jesus feeler, Zombie sucker, Zombie healer, Monster eater”.  Das kurze „People Like Us“ weist Amerikanaeinflüsse auf, knüpft vielleicht an Angels of Light an. Hieß es schon auf “The World Looks Red / The World Looks Black”  “Follow the Sleeper”, so singt Gira hier: “People like us need a dream to escape. People like us, we need to sleep to awake”, damit dem Somnambulen einen Moment des Erkennens zuweisend. Das Drogenabusus thematisierende “Frankie M” wird von Drones eröffnet und die Stimmen Giras und Kaela Sinclairs erzeugen fast eine transzendente Atmosphäre– dass Gira Charlemagne Palestine-Fan ist und vor Jahren auf Young God Records ein Album von ihm veröffentlichte, überrascht nicht. Natürlich gibt es  hier wieder Passagen, die endlos so weitergehen könnten. Überhaupt wird hier erneut stark mit Wiederholung(en) gearbeitet. Auch das Crescdendohafte der meisten Tracks knüpft an die beiden Vorgänger an. Das Titelstück enthält sogar eine Passage aus „Bring the Sun“ von „To Be Kind“. Dennoch hat man den Eindruck, dass das Album leichter/lichter als die beiden Vorgänger ist und es trotz aller Wucht Momente der Kontemplation gibt: „Cloud of Unknowing“ hat Passagen, auf denen Thor Harris‘ Perkussion fast wie Kirchengocken klingen. Textlich gibt es aber immer noch und immer wieder Momente der Gewalt, was exemplarisch an Zeilen wie „Break a glass, stab his eye, choke his neck, nothing’s left“ („Frankie M“), “The sky shows a bruise where our fingers have touched“ („Peolple Like Us“) oder „Joseph is cutting my arm on his bed“ (“The Glowing Man“) deutlich wird. Das von Giras Frau Jennifer gesungene folkige „When Will I Return?“ beschreibt offensichtlich eine Sexattacke auf sie: “When will this pig-man stop?“ singt sie, um dann aber die Kraft des Überstehens zu feiern: „Then I crawl across the road […] I’m alive“. Das Stück ist vor dem Hintergrund der Anschuldigungen Larkin Grimms sicher doppelt kontrovers. Eine ganze Reihe von Besprechungen des Albums thematisieren die Problematik des Rezensierens vor diesem Hintergrund durchaus differenziert. Dass Gira in seinem Werk (anders als z.B Cliff Richard oder Bill Cosby)  selten(st) eine heile Welt präsentiert hat, sondern sich immer mit den Schatten-,  und Nachtseiten des (Zusammen-)Existierens auseinandergesetzt hat und dabei auch schon einmal Realität und Fiktion vermischt hat, macht die Sache vielleicht nicht einfacher, gleichzeitig sollten Urteile nicht von dem entfesselten Mob in den sozialen Netzwerken gefällt werden.

Abschließend kann man noch sagen, dass sich wieder eine Lichtmetaphorik findet, die es schon weitaus länger als erst seit den letzten Alben gibt (vgl. das ambivalente „I am the Sun“ auf „The Great Annihilator“ oder „God Damn the Sun“ auf dem von Gira gehassten Album „The Burnng World“). Auf dem Abschlusstrack „Finally, Peace“ wird die Sonne zu „A ruinous eyesore”, bevor es dann „all creation is hollow – and a picture’s a shadow“ heißt. Beendet wird das Album dann aber “friedlich” (?) mit den endlos wiederholten Worten „your glorious mind“. Sieht man das Album als Abschluss einer Trilogie, wie es einige Rezensenten getan haben, dann kommt dieser letzte Teil einem happy ending vielleicht nicht nahe, aber näher als es den Swans je zuvor gelungen ist. (M.G.)

Label: Mute / Young God Records