AIDAN BAKER / GARETH DAVIS: Invisible Cities II

Vor zwei Jahren machten sich der bekannte Gitarrendröhner Aidan Baker und der in Belgien lebende Klarinettist Gareth Davis an die musikalische Umsetzung von Italo Calvinos Roman “Die unsichtbaren Städte” aus dem Jahr 1972. Ohne textliche Referenzen wie Lyrics entstand durch meditative Drones und den orientalisch anmutenden Ornamenten der Bassklarinette eine eher vage Interpretation der semifantastischen Reiseerzählung um den Entdecker und Geschichtenerzähler Marco Polo, bei der einem auch ohne Textkenntnis nichts entging. “Invisible Cities” wurde ein ganz eigener, von der Ausgangsidee unabhängiger Kosmos, der sich soweit verselbständigte, dass die beiden Musiker weiter an den Ideen arbeiteten. Mit “Invisible Cities II” ist nun eine Fortsetzung des Stoffs erschienen, die nahtlos an den Vorgänger anknüpft.

Mit stilvollem Rauschen und Knistern, das sich bald als Sendersuche auf einem alten Radio entpuppt, gönnen die beiden sich eine kurze Bedenkzeit, bis der Opener “Hidden” dem Titel entsprechen zunächst versteckt im Hintergrund zu dröhnen beginnt. Über längere Strecken bewahrt der Track seine mysteriöse Aura, lässt das Rauschen gemächlich auf und abebben und bleibt doch vage im Bezug auf die Soundquelle. Sind das die Geräusche einer nächtlichen Landstraße, auf der jemand auf den Spuren des berühmten Entdeckers die Seidenstraße entlang den unsichtbaren Städten entgegenfährt? Die Frage ist interessant, v.a. wenn man sie nicht beantwortet. Mit der Zeit zeichnen sich die musikalischen Strukturen deutlicher ab: von tiefen Klarinettentönen gezogene Kurven in schwermütigem Moll, undefinierte Hochtöner am nächtlichen Firmament, die warme, erdige Dröhnung der angeschlagenen Saiten und einiges mehr.

Heller, verhuschter, tremolierender gibt sich die Musik in “Eyes”, wo sich das Blasinstrument langsam vorantastet, als lauere Unheilvolles hinter jeder Biegung des Weges – eine Spannung, die im folgenden “The Dead” bestehen bleibt, dort allerdings eine geradezu trotzige Energie mobilisiert: in rauer, kreisender Dröhung, im Trillern einer imaginären Alarmsirene, im jaulenden Feedback und im Summen des Geigenbogens, der hektisch über Bakers Gitarrenhals fährt. In “Continuity” diffundiert all dies wieder in einen Nebel aus sensiblen Andeutungen, um in der Harmonie von “Names” in friedvolle Ruhe zu münden. Ist das der Sound des Ankommens in den unsichtbaren Städten, oder geht die Fahrt weiter?

Wie auf dem ersten Teil hat jedes Stück seine eigenen Geschichte voll stetig wandelnder Stimmungnuancen und subtil eingesetzter Soundideen, die bei dem kleinen Instrumentarium beeindrucken. Ich empfehle beide Teile hintereinader zu hören – auf Vinyl im von üppig duftenden Oud-Kerzen beleuchteten Salon oder als Download auf nächtlicher Fahrt durch die Weiten Zentralasiens. (U.S.)

Label: Karlrecords