ORGANUM ELECTRONICS: Stilness

Verglichen mit anderen Künstlern aus dem (weiteren) Umfeld des Industrials verzichtetete David Jackman von Anfang an auf Programmatik und Konzepte und selbst auf solche Antislogans wie etwa The New Blockaders („Even anti-art is art…That is why we reject it!“), mit denen Jackman mehrfach zusammenarbeitetete. Bei ihm findet man, bezogen auf seine frühen Aufnahmen, lapidar die Aussage, Organum sei „damn noisy“.

In einem Interview mit Paul Lemos meinte er: „There’s certainly no social statement behind the work and, philosophically, there’s nothing consciously being projected into the sound. Apart from the blind desire to make sounds, the only thing that was at work in the beginning, particularly with ‘Tower of Silence‘ was the wish to make something that sounded completely new. “

Jackman hatte sich in den letzten Jahren von dem hypnotischen, zirkulären Schaben und Sirren seiner frühereren Aufnahmen entfernt und zahlreiche Alben veröffentlicht, die von einzelnen, verhallenden und repetetiven Klavierakkorden durchzogen waren, teilweise ergänzt durch Orgeldrones, den Klang einer Tampura oder Aufnahmen von Vögeln. Dabei näherten sich die Aufnahmen (sowohl zwischen einzelnen Alben als auch innerhalb von Veröffentlichungen) stark einander an, variierten minimal(st). Nach längerer Pause erschien 2018 das Organum-Album „Raven“, über das es hier hieß: „Waren die früheren Aufnahmen oft enorm verdichtet, so finden sich hier zahlreiche Momente des Innehaltens, Leerstellen – vielleicht auch der Leere“, es folgte 2019 (als David Jackman) „Herbstsonne“  und 2020 „Silence In That Time“, die alle klanglich und visuell verwandt schienen. Recht überraschend erschien 2019 unter dem leicht veränderten Namen Organum Electronics plötzlich ein unglaublich lärmiges Album, an das jetzt das bizarrerweise „Stilness“ titulierte Album anknüpft.

Frühere Organumaufnahmen (z.B. die auf L.A.Y.L.A.H.) waren geprägt von einer Unruhe, die neuen Aufnahmen sind auf gewisse Weise etwas statischer, ganz so, als wolle Jackman seine eigene Interpretation von Wall Noise spielen. Auf 35 Minuten wird der Hörende von einem massiven Drone umgeben. In einer Studie zum literarischen Expressionismus von Frank Krause findet sich der Versuch einer Definition von dem, was gemeinhin (mit Bezug auf u.a. Carl Einstein und Benn) als „absolute Prosa“ bezeichnet wird: Dort heißt es, es handele sich um eine Erzählform, „mit der weder eine außerliterarische Realität dargestellt noch eine subjektive Erfahrung kunstpezifischer Welten ausgedrückt werden soll. Die absolute Prosa will einen konstruktiven Prozess verwirklichen, dessen Bedeutung in der dynamischen Form aufgeht, die er hervorbringt.“ Vielleicht ließe sich daran angelehnt behaupten, dass die Musik Jackmans absolut ist. (MG)

Label: Siren Records