GOLEM MECANIQUE: Luciferis

Es gibt wohl wenig einflussreichere Werke der europäischen Geistes- und Literaturgeschichte als die Divina Commedia des Dante Alighieri. Zahlreich bis zahllos sind die Künstler, die sich auf den Text und die über die im Lauf der Jahrhunderte entstandenen Illustrationen anderer Künstler beziehen: Berühmt sind die Bilder des von Peter Ackroyd so titulierten „Cockney visionary“ William Blake, noch omnipräsenter sind Gustave Dorés Illustrationen (von denen eine auch das Cover des neuen Albums von Golem Mecanique ziert), John Miltons episches Langgedicht Paradise Lost ist sicher stark von dem Text des Italieners beeinflusst und Blake ließ den Puritaner in seinem illuminierten Epos Milton auftreten und attestierte ihm in The Marriage Of Heaven And Hell: “The reason Milton wrote in fetters when he wrote of Angels & God, and at liberty when of Devils & Hell, is because he was a true Poet and of the Devil’s party without knowing it.” Karen Jebane, die unter dem Namen Golem Mecanique in den letzten Jahren eine Reihe von Alben veröffentlicht hat, hatte schon 2016 mit „Chant IV“ ein Werk herausgebracht, das Bezug auf Dantes Text nahm und sie selbst sagt: „I travel between Doré, Dante, Milton and Blake. This [sic] four are my favourite boy’s band.“

Sie knüpft außerdem insofern an das im letzten Jahr veröffentlichte und hier besprochene Album „Nona, Decima et Morta“ an, als Jebane „Luciferis“ als den „dark doppelganger“ verstanden wissen will, der der erste Teil einer geplanten Trilogie ist. Konnte man auf dem Vorgängalbum inmtten der an Phil Niblock erinnernden Orgeldrones Stimmen ausmachen, so verzichtet sie diesmal völlig darauf. Dafür setzt auf dem ersten Stück nach etwa drei Minuten Orgeldrone eine E-Gitarre ein, durch die „Cadere“ zu einem harsch-sakralen Stück wird und man muss kurz daran denken, wie Brian Williams E-Gitarren auf dem Lustmord-Album „[Other]“ eingesetzt hat. Auf „Luceas“ klingt die von Jebane selbst so betitelte „Dronebox“, eine Art elektrischer Drehleier, anfangs wie eine an- und abschwellende Sirene, am Ende kommen einzelne Gitarrentöne hinzu. Die gewisse Statik, die ihren Arbeiten innewohnt, passt dazu, dass sie davon spricht, dass in der bildlichen Darstellung des Falls Luzifers dieser weder Anfang noch Ende habe. (MG)

Label: Ideologic Organ