ASHTORETH / GREY MALKIN: Heretic

Die Geschichte über den titelgebenden Häretiker, die der belgische Ritualdröhner Ashtoreth und der schottische Darkfolker Grey Malkin hier in wundervollen Klängen erzählen, macht keinen Hehl aus der Düsternis, die immer wieder in ihre folking angehauchten, aber nie nur akustischen Klangwelten einbricht. Gerade Vor- und Abspann nämlich, die Stücke “The Silver Bough” und “Gathering” schaffen mit wuchtigen Pauken und rauer Dröhnung einen monumentalen Rahmen, der auf alles Düstere gefasst macht und das Schöne umso heller hervorleuchten lässt.

“Heretic” ist nach “Pilgrim” und “Hermit” der finale Teil einer Reihe, den die beiden Musiker Typen widmeten, deren religiöse Praxis die Grenzen der Alltagsreligiosität und oft auch die der Orthodoxie sprengt. Dabei bleibt auch hier wieder die sprachliche Seite soweit vage, dass man das Thema auch im übertragenen Sinne als Metapher für verschiedene Emotions- und Bewusstseinszustände verstehen kann.

Und diese Zustände wären dann von einer sehr wechselvollen Natur. Die wird am deutlichsten in Stücken wie “Beneath a Wounded Star”, bei dem stimmungsvoll folkiges Saitenspiel, das an eine Prozession erinnert und wie ein Echo griechischer Musik anmutet, und eine sanft herbeigewehte Frauenstimme durch grummelige Stimmloops und später durch doomige Gitarrenschwere konterkariert wird. Bei manchen Stücken wird die Dunkelheit durch Schönheit fast an den Rand geschoben, zumindest kann man bei “A Thousand Holes in The Fabric Of The Universe” mit seinen liturgisch anmutenden Chören und den anrührenden Streichern den Eindruck bekommen.

Immer mehr entsteht im Laufe des Albums der Eindruck, dass hier eine Grenzerfahrung ins Werk gesetzt wird: in den aggressiven Schreien einer Sängerin über beschwörenden Schrammelgitarren des Titeltracks, im Sägezahn-Doom, der ganz unverhofft in die liturgische Chorlandschaft von “The Land’s Embrace” einbricht und selbst in die verträumten Lullaby-Melodien, die in “A Cavalcade Of Ravens” eine in Watte gepackte Stimmung erzeugen, die trügerisch anmutet – selbst die krächzenden Vögel zu Beginn scheinen an ihr zu zweifeln. Dazu passt auch der offene Schlus im finalen “Gathering”, bei dem man wie bei einem langsamen Gegenzoom aus dem Stück herausschwebt.

Bewusstseinszustände des Traums und der Imagination werden hier in ihrer Schöpferkraft gezeigt, aber im Gegensatz hippiesker Verklärung wird auch das Risiko und der Preis, die sie mit sich bringt, nicht verschwiegen, sondern durchgehend spürbar gemacht und in den Liner Notes durch zwei gewichtige Kronzeugen unterfüttert. “My imagination requires a judicious rein; I am afraid to let it loose, for it carries me sometimes into appalling places beyond the stars and beneath the world”, heißt es bei Algernon Blackwood. “But dreams come through stone walls, light up dark rooms, or darken light ones, and their persons make their exits and their entrances as they please, and laugh at locksmiths”, heißt es etwas weniger pessimistisch, dafür aber umso fatalistischer bei Joseph Sheridan Le Fanu.

“Heretic” ist ein gelungener Abschluss der drei Konzeptalben, und in irgendeiner Form wird die Zusammenarbeit weitergehen. Dies ist übrigens keine Vermutung, denn die beiden Protagonisten haben bereits ein neues Projekt aus der Taufe gehoben. Bei The Black Swan Triad wird auch die Sängerin Menalaeh von der Band Tiloh und der Soundmann Vindlandsraud beteiligt sein, die man auch hier in mehreren Stücken hört. (U.S.)

Label: Reverb Worship