KARKHANA: Al Azraqayn

Wer den Namen Karkhana hier zum ersten mal liest, könnte trotzdem einigen Mitgliedern der Gruppe schon begegnet sein, denn es handelt sich bei ihr um eine echte Supergroup. Die beteiligten Musiker – Mazen Kerbaj, Umut Çağlar, Sam Shalabi, Sharif Sehnaoui, Maurice Louca, Tony Elieh, Michael Zerang – stammen überwiegend aus dem östlichen Mittelmeerraum, ihre musikalische Herkunft erstreckt sich von Psych Rock über traditionelle arabische Musikarten bis hin zu Jazz, Improv und weit darüber hinaus. Gegründet wurde die Band bereits vor einer Handvoll Jahren. Die auf der vorliegenden Doppel-LP zu hörenden Songs wurden vor zwei Jahren bei einem Auftritt im Amsterdamer Bimhuis aufgenommen.

Das Resultat ist durch die genannten „Stilbegriffe“ gut umrissen und doch nur unzureichend benannt. Wie kraftvoll dieses Gebräu umgesetzt ist, merkt man allerdings schon bei Shalabis Intro auf der Oud. Mit westlichen Hörgewohnheiten im Gepäck mag einem der Klang der Kurzhalslaute immer eher warm und entspannt vorkommen – hier macht sich aber auch schnell eine unruhig drängende Energiegeladenheit in den melodischen Ornamenten bemerkbar, die sich vollends entlädt, sobald alle Instrumente – Bläser, Drums, Gitarren, Synthies und einiges mehr – zu hören sind.

Aus den knapp anderthalb Stunden Musik, die sich über die vier LP-Seiten erstreckt, lassen sich nur schwer einzelne Wegmarken hervorheben, denn wenngleich Momente der Spannung ihren Platz haben, gibt es kaum Längen. Mein Favorit beim ersten Hördurchgang war das aus mehreren Teilen bestehende “Sidi Mansour”, eine Neuinterpretation eines tunesischen Folkstücks. Auf ein längeres Intro mit in ihrer Richtung stets variierten Trommelwirbeln folgt ein Psych Rock-Kracher, der wie ein Medley anmutet, da immer wieder andere Instrumente in den Vordergrund treten und besondere Akzente setzen: Funky E-Gitarren, anmutige Bläsersoli, jazzige Drums, deren Groove schnell in spannungsgeladenenes Beckenspiel kippt und irgendwann in einen “abstrakteren” Teil überleitet. Hier sorgt Schaben und Kratzen an den Saiten für die Ruhe vor dem Sturm, der sich im treibenden Schlussteil mit seinem atonalen Finale Bahn bricht. Manch eine Band hätte aus dem Stoff ein ganzes Album gemacht, und wie man hört, war das Publikum begeistert.

Einige der Tracks haben diesen epischen Charakter, bei dem sich subtile, bisweilen verspielte Abstraktion mit treibenden, melodischen Passagen abwechselt. Wie ein unberechenbarer Wind pfeifen Umut Çağlars luftige Reeds in “Huli Huli” durch eine imaginäre Weite, bis ein wunderbar melodischer Song einsetzt und Fahrt aufnimmt. In “Al Sal3awa” spannen kreisende Synthies, rollende Drums und anmutige Flöten das Publikum genüsslich auf die Folter, und erst nach einem längeren Anzug des Tempos sorgen Oud und Handdrums für eine Bewegung, die nach einigen Minuten im puren Lärm gipfelt. Einen letzten Höhepunkt dieser Art gönnen einem die acht Musiker am schrillen Finale von “Rock Farock”.

Alle Karkhana-Mitglieder sind seit langem leidenschaftlicher Kollaborateure, was man der Spontaneität und dem Einfallsreichtum des Auftritts auch auf Platte mehr als deutlich anmerkt. Bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft weitere Konzerte in dem Line-up geben wird. (U.S.)

Label: Karlrecords