CONURE: Zenith

Nach einem Vierteljahrhundert an regelmäßigen Releases und Performances kann man den auch bei 15 Degrees Below Zero und anderen Combos aktiven Kalifornier Mark Wilson alias Conure mittlerweile als verlässliche Institution in der Welt des experimentellen Noise bezeichnen. Zu den verbindenden Elementen seiner primär auf Mikros, Mischpult, Loops und diversen Effekten basierenden Arbeiten zählt die Tendenz, den Fokus sowohl auf die momenthafte Beschaffenheit herausfordernder Sounds als auch auf ihre oft spannungsvolle, narative Dynamik zu lenken- eine Qualität, die niemals konstruiert wirkt und sich einfach aus dem Musikverständis des Künstlers heraus zu ergeben scheint.

Dieser Charakterzug findet sich auch in seinem jüngsten Release “Zenith”, das bereits vor elf Jahren, kurz nach Wilsons Umzug von der Bay Area nach Berlin, aufgenommen wurde und anscheinend seit dem in einer Schublade der Dinge harrte. “Zenith” wird vom Label als EP bezeichnet, aber man sollte dazu sagen, dass das bislang digital erschienene Release über eine Stunde lang ist – in einer Zeit, in der Hinz und Kunz jeden streambaren Einzeltrack als Single bezeichnen, würde wahrscheinlich der mit achteinhalb Minuten Spieldauer kürzeste Track dieser Veröffentlichung bereits als EP durchgehen. Man kommt hier also intensiv auf seine Kosten.

Das knapp halbstündige “The Zenith Greeted” eröffnet das Album mit anfangs leisem Rascheln, in das sich bald verhalltes motorisches Brummen mischt, das sich schnell jedoch als rasant und kompromisslos entpuppt. Eine rhythmische Struktur entfaltet sich, deren schnelle Abfolge von leicht verzerrtem Rauschen und alarmierenden Hochtönern in wellenförmigen Intervallen abtaucht und wieder deutlicher an die Oberfläche drängt. Trotz der nicht wirklich regelmäßigen Repetition der einzelnen Motive vermag sich eine hypnotisierende Wirkung einzustellen, die erst mit der deutlichen Steigerung des Stücks aufgehoben wird: Das Rauschen wird noisiger, kratzender, die Hochtöner schriller, und all dies geschieht in gut bemssenen Relationen, die keine allzu deutlichen Brüche, aber auch keine reine Gradualität zulassen. Hat der Track seinen Zenith erreicht, kann man noch über zehn Minuten im dynamischen Lärm baden.

Die drei folgenden Tracks von unterschiedlicher Länge entfalten eine ähnlich starke Intensität. “Exclamations Bewilderment” versprüht mit unpoliertem Brummen einen warmen Sound, der auch als Hintergrund für hohe Sinustöne herhält, die sich – nicht untypisch für Conure, der sich weit entfernt vom angesagten Lush Noise immer ein dezentes Moment bewahrt – durchaus noch diesseits der Schmerzgrenze bewegen. Aus diesen kristallisieren sich zwitschernde Töne und später schrilles Schleifen, die nicht die einzigen Komponenten bleiben, die auch diesem vordergründig statischeren Stück Bewegung verleihen. Das zu Beginn subtil-verhaltene “Stoppages” mischt die Illusionen aquatischen Plätscherns und hechelnd fauchender Stimmen in ein verrauschtes Szenario. Hier sind es in schwer greifbares Schaben und Hantieren gehüllte unregelmäßige Detonationen, die das Stück auf seinen Höhepunkt zutreiben.

Im schwindelerregenden zweiten Teil, der, abgesehen von seinem steilen Zenith, in seiner trockenen Klangbeschaffenheit kaum Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger aufweist, findet die rasante Reise ihren Abschluss, und man stellt ganz erstaunt fest, wieder eine Stunde älter geworden zu sein – dies weil Conure auch hier ein Meister im Umgang mit Spannungskurven ist und darüber ein Händchen für die Transformation von Sounddetails hat, bei der vieles in verwandelter Form wiederkehrt und wenig verloren geht. (U.S.)

Label: Brutal Forms