BABY DEE: Regifted Light

Mit „Safe Inside The Day“ bekam Baby Dee, die man hier sicher nicht extra vorstellen muss, ihr erstes großes Medienecho. Neben einer Art Durchbruch und gewissen Erfolgen bei einem größeren Publikum markierte dieses Album auch die Hinwendung zu einem etwas breiter instrumentierten Sound und die Verabschiedung ihres anfangs primär auf Stimme, Piano und Harfe reduzierten Klangbildes. Die Neufassung ihres zuerst (auch klanglich) streng limitierten „Book of Songs for Anne Marie“ unterstrich diese Entwicklung, und nun ist ein neues Werk erschienen, das vor Schmiss und Fülle geradezu übersprudelt.

Dass „Regiftet Light“ ein Aufguss von „Safe Inside The Day“ werden würde, hatte ich ohnehin nicht erwartet, denn Baby Dee sprach letztes Jahr bereits in einem Interview von dem Plan, ein recht klassisches Album aufzunehmen. Erwartungsgemäß ist es auch hier wieder das Klavier, das im Zentrum der Aufnahmen steht, genauer ein wertvoller Steinway D, als eine Art Dauerleihgabe vermacht vom Rockmusiker Andrew WK, der das Album auch produzierte. Dazu kommen jede Menge Streicher und Bläserbeigaben, bereitgestellt durch Virtuosen wie Matthew Robinson (Cello), Mark Messing (u.a. Tuba) und den Multiinstrumentalisten Jon Steinmeier, der hauptberuflich in der Bigband MUCCA PAZZA aktiv ist und dem Album einen besonderen Stempel aufdrückte. Baby Dee und ein bisschen “Punk Circus Marching”, darauf sollte man eigentlich gewartet haben. Was man hier nun am wenigsten findet, sind die dezenten Rock- und Americana-Elemente, die ihr bislang erfolgreichstes Werk zwar nicht maßgeblich geprägt hatten, bei einigen Songs wie „Teeth Are The Only Bones That Show“ und „Fresh Out Of Candles“ aber unüberhörbar den Sound und die Atmosphäre mitbestimmten. „Regiftet Light“ knüpft, wenn man den Vergleich denn weiterspinnen will, eher an die zweite Hälfte der Platte an, wo Klavier und Streicher sich zeitweise verselbständigen und eine barocke Stimmung zwischen momento mori und purer Lebenslust versprühen.

Die ersten beiden Stücke sind (wie übrigens rund zwei Drittel des neuen Albums) instrumental, und dennoch tragen sie unverkennbar Baby Dees Handschrift. Wer sich durch das Pianospiel an Kirchenmusik des 17. oder 18. Jahrhunderts erinnert fühlt oder bei den schmissigen Snaredrums an Varieté-Musik (oder an eine Parade von Cheerleadern) denken muss, der ist bereits mitten in der Welt der Ausnahmemusikerin angekommen, die sich erst im Titelsong mit ihrem anrührenden Falsett zu Wort meldet. Verhaltener als die meisten Instrumentalstücke, bei denen Bläser, Streicher und zum Teil sogar verspielte Bongos für ein stetes Abwechseln von Stau und Fluss sorgen, ist „Regiftet Light“ ein sehr persönlicher, unaufdringlicher Lovesong, der eine ganze Reihe früherer Songs in Erinnerung ruft: „Black But Comely“, „My Hearts Come Home To Me“ und wie sie alle heißen.

Trotz dieser „klassischen“ und somit europäisch konnotierten Elemente klingt Baby Dee auf der anderen Seite ebenso amerikanisch wie ihr früherer Weggefährte Antony, wenn auch auf ganz andere Weise. Man denkt an Musicals und Sitcoms, an 50erjahre und Schwarzweiß, und das alles natürlich mit einem gehörigen Schuss Ironie versehen, der eine ganz eigentümliche Liaison eingeht mit einem Ernst und einer Liebe und Lebensfreude, die Respekt einfordern. „On The Day I Died“ behandelt auf anrührende wie unverkrampfte Art die Frage nach einem Leben nach dem Tod, und ist wohl einer der persönlichsten Songs der Künstlerin. Dem stehen humorvolle Momente gegenüber in Songs wie „Brother Slug and Sister Snail“ oder dem herrlich absurden Slapstick in „The Pie Song“, bei dem alle Freunde des Pisspots und des Big Titty Bee Girl auf ihre Kosten kommen sollten. So sehr man die brüchige Stimme der Sängerin sonst auch schätzt, muss man anerkennen, dass sie hier gesanglich über sich selbst hinauswächst. Inhaltlich geht es um eine Torte, die unbedingt gegessen werden muss, und ich halte den Song für den Hit des Albums und für eines der Besten Baby Dee-Stücke überhaupt.

„Regifted Light“ ist berührend, tiefgreifend und voller Energie. Um mit einem Seitenhieb zu schließen: In einigen Fankreisen von CURRENT 93 hat sich (weil vermutlich viele nach wie vor eher die Alben der frühen Folkphase hören), das Vorurteil eingeschlichen, neben anderen stünde Baby Dee für eine eher softe, lasche Seite der Band. Das ist, um es kurz zu machen, kompletter Käse, und auch auf ihren Soloplatten gesellt sich neben Glockenspiel, Streicher und feinsinnige Liebesbekundungen eine Derbheit, die alles andere aufkommen lässt als Larmoyanz und Langeweile. Tolles Album! (U.S.)

Label: Drag City