OM: Addis Dubplate 12”

„Addis“ ist nicht das erste OM-Stück, das auch in einer Dubversion vorliegt, und doch eines, das sich mit am ehesten dazu anbietet. Der Grund dafür ist inhaltlicher Natur, denn der Titel spielt auf die „neue Blume“, die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba an, die im Rastafari-Glauben eine so wichtige Rolle spielt, ebenso wie der als gottgleich betrachtete äthiopische Kaiser Haile Selassi. Rastafari, eine im frühen 20. Jh. entstandene Religion christlich-messianischer Prägung, ist eine zentrale Einflussquelle für viele jamaikanische Musikarten und ihre Ableger weltweit. Auch Christine Woodbridge und Weiterlesen

HUGO RACE FATALISTS: We Never had Control

Er ist sicher einer der aktivsten Vertreter der alten Melbourner Blues Punk-Riege: Hugo Race, der nach einer kurzen Bad Seeds-Zeit solo und mit diversen Bands aktiv war und über mehr als dreißig Jahre kaum längere Ruhepausen nötig hatte. Der stets die Grenzen der ihn formenden Kultur erweiterte und notfalls auch durchbrach – vom bluesigen Gitarrenrock Australiens zu den Tuareg in Mali, zu seinen indigenen Landsleuten, zu alten Protestsongs und zur Hippiekultur, die man in den kühlen, fatalistischen 80ern so hasste. Weiterlesen

FATHER MURPHY: ORSANTI They Called Them

Es gibt sicher eine Reihe an Gründen, von der gegenwärtigen Musik ernüchtert zu sein – es reicht schon aus, in der endlosen Variation bekannter Stile weniger die Vielfalt zu sehen, sondern eher das Inflationäre, die schiere Quantität. Es gibt jedoch ebenso viele Gründe, von Father Murphy begeistert zu sein. Mit ihrer Wucht und ihren ausgefallenen Ideen haben auch die drei Turiner die Musik nicht neu erfunden und ihre Stil-Entwicklung ist keineswegs frei von Referenzen. Sie haben sich aber zwischen vielen bekannten Feldern ein zuvor unentdecktes Weiterlesen

KING DUDE: Burning Daylight

„We are King Dude“ wird man von TJ Cowgill neuerdings auf Konzerten begrüßt, was darauf schließen lässt, dass er und seine beiden Kumpanen mittlerweile so etwas wie eine feste Band bilden. Zeit also, vom Singular auf den Plural umzusatteln? Warum nicht. King Dude ist also ein Trio aus dem Nordwesten der USA, das dunkle, balladeske Räuberpistolen über die Liebe, den Teufel und den Whiskey zum besten gibt, untermalt von monoton beschwörenden Gitarren, in steter Bewegung gehalten von einer einfachen, evokativen Drumsection, die sich hier und da Weiterlesen

HENRYSPENCER: Saturn

Saturn, der äußerste Himmelskörper unseres Sonnensystems, der noch mit bloßem Auge zu sehen ist, besitzt in vielen Kulturen eine mythisch aufgeladene Symbolik. Im antiken Mythos ist er eine Verkörperung von Kronos, einem Vegetationsgott, der aufgrund des ähnlichen Namens häufig mit Chronos, dem Gott der Zeit verwechselt wird. Ihm zu Ehren veranstalteten die Römer jährlich die Saturnalien, einen sinnenfrohen Karneval, bei dem Ordnung und Hierarchie Kopf standen. Wie viele vitale Göttergestalten aus vorchristlicher Zeit erfuhren seine lebensfrohen Eigenschaften später Weiterlesen

KAKAWAKA: Ein fröhliches Lied auf den Lippen den Wandersmann kann nichts erschüttern

Die meisten Noisefreunde kennen Kakawaka v.a. als Liveact. Unter dem Namen, der nur zufällig an das kanadische Ureinwohnervolk der Kwakwaka’wakw erinnert, bereichert Christoph Petermann seit einigen Jahren ausgewählte Musikveranstaltungen mit etwas, das in der Experimentalszene längst selten geworden ist: Eine Mischung aus Performance und Lärm, die in ihrer radikal primitivistischen Einfachheit keineswegs wie Pendant XYZ klingt. Kakawaka ist große Comedy, auf eine Art, die sich schon lange totgelaufen hätte, würde das Konzept mit einer Weiterlesen

V.A.: Hail Be You Sovereigns, Lief And Dear: Dark Britannica III

Je nach Zählung („John Barleycorn: Rebirth“ war ursprünglich lediglich als Downloadergänzung zur ersten Veröffentlichung „John Barleycorn: Reborn“ gedacht und wurde erst einige Jahre später eigenständig auf CD veröffentlicht) ist das der dritte respektive vierte Teil der umfangreichen Folkanthologie, die unter dem Banner des Zyklischen, des Säens und Erntens, des Werdens und Vergehens, das sich im Traditional „John Barleycorn“ widerspiegelt, von Cold Spring veröffentlicht wird. Weiterlesen

JULIA KENT: Character

Man muss nicht gleich an etwas so Offensichtliches wie den Bildungsroman denken, wenn jemand das Leben mit einer literarischen Erzählung vergleicht. Jenseits kohärenter Geschichten mit all ihren Ausschmückungen und Auslassungen ist das menschliche Bewusstsein ein stets neu befeuerter narrativer Prozess, voll von ineinander verschlungenen Fragmenten erzählender, beschreibender und kommentierender Art. Was daraus entsteht ist ein Selbstbild als work in progress. Die Seelenkunde trägt dem vielfältig Rechnung, und für manche Schulen der Psychoanalyse ist der sogenannte Neurotiker primär jemand, der eine unvorteilhafte Autobiografie entwirft und lernen sollte, an Stil, Modus und Motiven zu feilen. Weiterlesen

MUERAN HUMANOS: El Circulo/La Langosta

Mueran Humanos können seit ihrem Debüt bereits auf eine kleine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Teil ihres Rezeptes, falls sie so etwas haben, ist eine Kunst, die sich viele Musiker gerne auf die Fahne schreiben – Carmen und Tomás liegen zu allen möglichen Kategorien quer und haben doch vielen Orten der Subkultur das Passende zu bieten. Der kernige Bass, die Drummachine, der mehrstimmige Gesang, die markigen Texte, die sich mit Vorliebe an allzu bequemen Weltbildern abarbeiten – all dies funktioniert im Postpunk-Rahmen ebenso wie in krautigen Weiterlesen