Am Beginn von Rafael Anton Irisarris “A Fragile Geography” stand eine kleine Katastrophe: Beim Umzug von Seattle nach New York kam dem renommierten Soundsammler und Dunkeldröhner beinahe sein ganzes musikalisches Equipment abhanden, dazu ein umfangreiches Archiv an teils rohen, teils bearbeiteten Klangdateien. Abgesehen von dem mittelgroßen Trauma, das ein solcher Verlust für einen Musiker bedeuten muss, scheint die Misere aber auch ihr Gutes gehabt zu haben. Schon kurz nach dem Vorfall meldete Irisarri sich nach mehrjähriger Pause wieder mit Soloarbeiten zurück, und völlig auf neue Erzeugnisse angewiesen entstanden daraus Platten, die den Tüftler von einer ganz anderen, vielleicht raueren und kantigeren Seite zeigt. Zeitgleich zur EP “” erschien vor einigen Wochen das vorliegende, u.a. von Labelchef Lawrence English produzierte Album.
Das mit der rauen und kantigen Seite mag zunächst überraschen, wenn man die lieblichen Ambient-Kompositionen früherer Jahre kennt und den leisen und verschwommenen Auftakt vernimmt, aus dem sich zunächst kaum hörbare Tonfolgen durch stetes Auf- und Abebben bemerkbar machen. Freilich, die Reichhaltigkeit hinter dieser introvertierten Fassade, die Bläser (?) und der unterschwellige Rhythmus unter der mollastig-warmen Oberfläche sind nicht zu überhören, und würde das durchgehend so bleiben, könnte man beliebig zwischen Beriselungmodus und Aufmerksamkeit für Details skippen. Die Platte ist allerdings episodisch gestrickt, und nach dem ersten Bruch wird dann auch deutlich, dass die fragile Geografie kein Idyll abbildet.
Vor allem in Passagen mit reduzierter Klangschichtung dringen sperrige Cut up-Miniaturen aus undurchsichtigen Samples an die Oberfläche, die einen automatisch aus dem rein passiven Hörgenuss herausreißen. Kehrt das wohlig-fließende irgendwann zurück, entpuppt es sich schnell als soghaftes Dröhnen, das – bis zum mit dezenten Rockzitaten gespickten Ausklang – den Raum wie mit einer dunklen Wolke ausfüllt. Gerade in dieser finden sich dann auch eine Menge verzerrter Sounds, die der Künstler in den Rahmen zu integrieren weiß. Das Label hebt “Empire Systems” hervor, und in der Tat zählt der auf seine introvertierte Art monumentale Track mit seinen retrolastigen Orgelsound und der Hammermelodie zu den Höhepunkten des Albums, dicht gefolgt von “Secretly Wishing For Rain”, auf dem das Cellospiel von keiner geringeren als Julia Kent zu hören ist.
Label: Room40