MICHAEL ZERANG & SPIRES THAT IN THE SUNSET RISE: Illinois Glossolalia

Schon an anderer Stelle habe ich einen kurzen Abriss über die musikalische Entwicklung von Spires That In The Sunset Rise gegeben. Mit den zwei Teilen von „Ancient Patience Wills It Again“ hatte die (inzwischen zum Duo geschrumpfte) Band 2012 nach einer längeren Pause zwei homogene Alben, die nicht ganz so dissonant wie einige der Vorgänger waren, veröffentlicht. Auf dem 2015 erschienenen „Beasts in the Garden“ wurden dann erstmals Blasinstrumente ins Zentrum des Klangs gerückt.

Das vor einigen Monaten veröffentlichte „Illinois Glossolalia“ wurde vor all den genannten Alben aufgenommen, ist 2011 entstanden, als sich STITSR zusammen mit dem Komponisten und Perkussionisten Michael Zerang (der seit Jahrzenten improvisierte Musik mit einer Vielzahl von Künstlern spielt) zu einer Reihe von Konzerten trafen und schließlich im Experimental Sound Studio in Chicago als Artists in Residence zusammen aufnahmen. Teile des dabei entstandenen Materials wurden schon vor einiger Zeit auf Tape veröffentlicht. Interessant ist, dass  Kathleen Baird davon spricht, dass sie in den Jahren zwischen 2011 und 2013 viel improvisierten, da sie u.a. die an sie gestellten Erwartungen hätten unterlaufen wollen und dass sie letztlich versucht hätten, sich „selbst aufzulösen“.

“Child” eröffnet das Album mit erratischer, hektischer Perkussion, Zither und Gitarre. Dazu kommt Kathleen Bairds Stimme, die in ihrer Wucht/Wut beeindruckt. Diese großartige Kakophonie klingt so, als hätten sich Breast Fed Yak mit Diamanda Galás zum gemeinsamen Musizieren getroffen. Nach der Vehemenz von „Child“ ist „Taggla“ entspannter, weist mit seinem Einsatz von Kalimba und Mbira anfangs fast Exoticaeinflüsse auf und erinnert etwas an das „Curse The Traced Bird“-Album. Im Titelstück stehen die Stimmen von Taralie Peterson und Baird im Zentrum. Die beiden intonieren, dem Titel enstsprechend, weniger Worte und Wörter, sie halluzinieren, delirieren, man hört Lachen, Glossolalie, Echolalie. Dabei werden sie von einer dissonanten Flöte begleitet. Dann  tauchen Stimmen aus dem Kurzwellenradio auf. Auf „Meminisse“ knarzt ein Cello, das klingt, als öffneten sich alte Türen. Auf dem letzten Stück „Triangulura“ nähern sich Streicher und perkussive Elemente an.

Eine „Auflösung“ der Band findet zwar nicht statt, aber vielleicht hat das Duo aus dieser Grenzen und Genre sprengenden Musik – nicht dass die früheren Alben der Band sich an allzu viele Regeln gehalten hätten – neue Energie gezogen. Ein Stück wie „Portabittaclog“ von “Beasts In The Garden” mag hier seinen Ursprung gefunden haben. Wer “Illinois Glossolalia” gehört hat, der weiß, was Musik alles vermag. Man muss sich nicht der inzwischen erschöpften Metaphorik bedienen, die oft verwendet worden ist, um die Musik der Spires zu beschreiben, um festzustellen, dass sie mit zu den originellsten und inspiriertesten Vertreterinnen zeitgenössischer akustischer Musik gehören. (MG)

Label: Feeding Tube Records