Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass David Lynch und Mark Frost eine neue Staffel von Twin Peaks drehen würden, waren die Reaktionen durchaus enthusiastisch, andererseits musste einem klar sein, dass der immense cultural impact der ersten beiden Staffeln kaum erreicht werden könnte. Zu groß war der Einfluss, den die Serie auf andere TV-Produktionen hatte – sowohl thematisch als auch was die Art des Erzählens anbelangte. Gleichzeitig ist bei solch einer langen Unterbrechung auch die Gefahr, dass die neue Staffel zu einem reinen Akt der Nostalgie wird, bei dem den Fans ein (vermeintliches) Best of serviert wird.
Die bisher ausgestrahlten 14 Episoden machen allerdings mehr als deutlich, dass Lynch und Frost diesen Fehler nicht gemacht haben, sondert bewusst Erwartungen und Wünsche unterlaufen und in einer ziemlichen Konsequenz ihrer eigenen Ästhetik und Narrationsgeschwindigkeit folgen. Inmitten des „hyperfragmentierten Durcheinanders“ der gegenwärtigen Fernsehlandschaft ist die dritte Staffel von “Twin Peaks” eine inhaltlich-ästhetische Meisterleistung, auch wenn eine Reihe von Reaktionen enttäuschter Fans den Eindruck vermitteln, dass sich einige stattdessen lieber eine Selbstvergewisserung der eigenen Jugend gewünscht hätten, die man in eine Reihe stellen kann mit dem Besuch der nächsten 80er-Party, auf der die größten Hits gespielt werden. Viele von denjenigen haben wahrscheinlich schon damals nichts mit „Fire Walk With Me“ anfangen können, geschweige denn mit dem Lynch-Oeuvre der letzten Jahre.
In Lynchs Werk haben Ton wie Musik immer eine zentrale Rolle gespielt: Man denke an den Protoindustrialsoundtrack seines Langdebüts „Eraserhead“ oder seine Begeisterung für This Mortal Coils „Song of the Siren“, das er ursprünglich für „Blue Velvet“ verwenden wollte. Und auch in der neuen Staffel, in der bisher fast jede Folge mit dem Auftritt eines Künstlers in der Bang Bang Bar (dem ehemaligen Roadhouse) endet, ist das nicht anders. Lynch selbst hat die Wichtigkeit des Sounds herausgestellt und all denen eine Absage erteilt, die meinen, man könne auf seinen Smartphones auch nur ansatzweise das audiovisuelle Erlebnis angemessen reproduzieren.
Dean Hurley, mit dem Lynch seit Jahren zusammenarbeitet, hat jetzt vor Veröffentlichung der offiziellen Soundtrackalben (dem Score von Angelo Badalamenti sowie den eigentlichen Songs) eine Sammlung von Soundschnipseln zusammengestellt. Hört man die Stücke abseits der Integration in die Bilder, hat man ein prinzipiell gutes, variantenreiches (Dark)Ambient-Album: Da gibt es das von Wind untermalte Dröhnen auf „Intro Cymbal Wind“ und melodische dunkle Drones auf „Night Electricity Theme“. Das Dröhnen und Schaben auf „Electricity I“ und „Electricity II“ verstört auch ohne die dazugehörigen „Got A Light?“-Bilder. „Tube Wind Dream“ wird von einer traurigen Melodie durchzogen. Tiefe Bassdrones ertönen bei “Tone / Slow Speed Prison / Low Mood”. „Slow One Chord Blues (Interior)“ klingt, als höre man eine Band in einem Nebenraum spielen, während auf „Angel Choir Reveal“ dem Titel angemessen ein sphärischer Choral zu hören ist. Stimmungsmäßig ähnlich ist das von Streicherdrones dominierte „Seven Heaven“. Die 18 Vignetten lassen manchmal an Lustmord oder auch Thomas Köner denken. Ob man das jetzt als kohärentes Album verstehen soll, sei einmal dahingestellt, mehr als etwas, in das man nach Belieben rein- oder raushört, ist es allemal. (MG)
Label: Sacred Bones Records