OISEAUX-TEMPÊTE: Tarab

Wenn man das hintergründige Piano und die leise summenden Geigen hört, mit denen die Ouvertüre beginnt, ahnt man noch nicht, wie gut sich der Titel „Tarab“ für das erste Live-Album der transmediterranen Formation Oiseaux-Tempete eignet. Im Arabischen bezeichnet das Wort nämlich einen Zustand der Ekstase, des außer sich Seins, der sich bei der Darbietung der Stücke mehrfach einstellt. Das Material auf der CD wurde bei Konzerten an verschiedenen Orten in Europa und Nordamerika eingespielt, wo die im Grenzbereich mindestens zwischen Doom, Postrock und arabischer Folklore herumschwirrenden Sturmvögel zusammen mit Suuns und Jerusalem in my Heart auftraten, sowie auf dem Beiruter Irtijal-Festival.

Ein Großteil der Stücke stammt vom letzten Album „Al-An!“, wobei die Musik hier noch um einiges intensiver – das heißt unberechenbarer und bisweilen druckvoller – daherkommt. Das nach wie vor in vermeintlicher Introvertiertheit daherkommende „Carnaval“ mit seinen verwehten Chören wirkt um einiges entgrenzter, die Ouvertüre „Baalshamin“ enthält, erst einmal in Schwung gekommen, einiges mehr an Spannung, überall hat man das Gefühl, dass sich etwas nur schwer greifbares zusammenbraut. Das in den ersten Minuten erratisch wirkende „Bab Sharqui“, dessen orientalische Melodien zusammen mit Handdrums und Elektronik schon auf dem Album nah am Freakout endet, hält hier noch einige ekstatische Momente mehr parat.

Ein schon lange beliebter Live-Track ist das zwischen Folksong und Rockbrett angesiedelte „Palindrome Series“, und besondere Momente bereiten immer die Tracks mit Vocals, allen voran die rezitative Stücke mit dem ehemaligen The Ex-Frontmann G.W. Sok. „Ütopya / On Living“, das zu anfangs sanften Harmoniumwellen die Randständigkeit des Menschen im Universum besingt, ist schon von einem früheren Album her bekannt, exklusiv sind zwei weitere Gedichtvertonungen: In „Tuesday And The Weather Is Clear“ aus der Feder des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish rezitiert Sok über eine von schweren Erfahrungen geprägte Biografie, in „Grasse Matinée“, einer Jacques Prévert-Vertonung, trägt er den Text auf niederländisch vor – die immer hastigere Darbietung und die Steigerung der Intensität bis in Gefilde von Punk und Noise-Rock lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass es auch hier um alles geht.

Vielleicht wie in „Through The Speech Of Stars“, in dem er schon auf Platte aus dem Blickwinkel eines späteren Historikers über unsere noch ungewisse Zukunft sinnierte. Auch dieser Text stammt von Darwish, und in der hier aufgenommenen Version trägt Radwan Ghazi Moumneh von Jerusalem in my Heart das ganze Gedicht im arabischen Original vor und gibt der CD, die aufgrund ihrer intensiven Stimmung und den kreativ überarbeiteten Songs keineswegs nur ein Dokument darstellt, einen denkwürdigen Abschluss.

Label: Sub Rosa