Seit das Duo 1993 mit der brachialen, von ultraverzerrten analogen Klängen und (wie es von Labelseite später hieß) “Schreigesang” durchzogenen „Sex U-Mas“-7” debütierte, wurde der brutale Sound auf Alben wie „Blut“ (später in leicht erweiterter Fassung wiederveröffentlicht) oder „Children Of God“ ausdifferenziert, entwickelte sich danach noch weiter weg von der brachialen Analogdisruption des Frühwerks hin zu melodischeren Stücken. Die Anfänge dieser Entwicklung lassen sich in kondensierter und geraffter Form auf der Zusammenstellung der Singles von 1993 bis 2000 nachverfolgen. Das heißt nicht, dass Haus Arafna nicht noch immer rabiat klingen konnten oder wollten, sondern dass dieses Rohe eben nur noch eins von vielen Klangelementen war. Wenn man dann den Genrebezeichnungen folgte, wurde aus Industrial Angstpop.
Das letzte Studioalbum liegt neun Jahre zurück, zuletzt erschien 2013 noch die 7” „All I Can Give“ und das darauf enthaltene „Pain Loves Pain“ ist vielleicht noch der klarste Referenzpunkt für die Richtung, die man auf „Asche“ einschlägt, dem insgesamt sechsten Album, auf dem erstmalig alle Titel und Texte auf Deutsch verfasst sind und mit dem man nach sieben Jahren wie ein Phönix aus der titelgebenden Asche emporsteigt.
Thematisch arbeit(et)en sich Haus Arafna bei all ihren Veröffentlichungen an den tiefschwarzen Nacht- den Schattenseiten der menschlichen Existenz ab, an dem Verfemten und Verdrängten, an den Grausamkeiten und dem Grauen, das „the sick microbe“ (R. Jeffers) hinterlässt und sich und anderen antut. War auf „You“ und „Butterfly“ der menschliche Körper im Zentrum der visuellen Gestaltung und wurde das Album „New York Rhapsody“, das anlässlich einer Schau der Modedesignerin Katie Gallagher aufgenommen wurde, von einem Model geziert, so ist auf „Asche“ der Mensch verschwunden und die ruinöse Brandlandschaft, die diesmal auf dem Cover zu sehen ist, gibt einen Hinweis auf die eingeschlagene Richtung. Im Vorfeld der Veröffentlichung hieß es dann auch, dieses Album sei „Mehr Angst weniger Pop.“ und so verknappt kann man die etwa 45 Minuten ganz gut zusammenfassen.
Man hat manchmal den Eindruck, dass – egal welche künstlerische Ausdrucksform betrachtet wird – von einer gewissen zwangsläufig einsetzenden (Alters-)Milde, oft gleichgesetzt mit Reife, ausgegangen wird, dabei ist diese Zwangsläufigkeit eine allzu lineare und vereinfachende Vorstellung. Man muss nicht, aber kann durchaus an das Dylan Thomas’sche „rag[ing] against the dying of the light“ denken, zu dem das lyrische Ich den sterbenden Greis auffordert. Der produktiven Seite des (literarischen) „Hass“-Effekts hat Karl Heinz Bohrer jüngst noch eine umfangreiche Studie gewidmet. Insofern kann man es durchaus zu schätzen wissen, was Haus Arafna auf “Asche” machen.
Da gibt es Stücke wie „Leiden An Deiner Statt [Schwarzer Strom I]“, bei der die Perkussion wie wuchtige Schläge klingt, es gibt brutale Verzerrungen, aber trotz aller Brachialität ist der Klang transparent. Ähnlich ist das vorab veröffentlichte „Kreise um das Nichts [Rauschen in der Nacht]“, zu dem es das erste offizielle Video gibt und wo die Schläge mit surrenden analogen Schleifen und dem Scheigesang voller Wu(ch)t kombiniert werden. „Eroberung der Einsamkeit [Gefühle sind Krankheit]“ und „Sieh mich an [Wenn du stirbst]“, mit so etwas , das nach Peitschenschlägen klingt, und einer Stimme, bei der kaum noch zu unterscheiden ist, ob sie leidet oder Leiden zufügen will, gehören ebenfalls zu diesen aggressiven Tracks. Das instrumentale „Feierhalle [Erweckt im Krematorium]“ erinnert in seiner leicht atonalen seltsamen Melodik an die Opener der ersten beiden Alben. Dann gibt es noch Stücke, die nicht ganz so rabiat klingen, aber von einer enorm unangenehmen desolaten Grundstimmung durchzogen sind: „Deine Liebe [Durchdringt die Welten]“, das schleppende Titelstück mit der gequälten, unheimlichen Stimme, die rückwärts davon kündet, dass der Körper zu Staub zerfällt. Auf „Keine Tränen [Keine Keine Keine Eine]“ hat man noch am ehesten einen durchgängigen Beat und der Gesang ist (verhältnismäßig) melodisch. Aber auch hier sind seltsame Sounds im Hintergrund, die irritieren. Auf „Toter Mensch [Krone der Schöpfung]“ schreit es zu schleppenden Schlägen und unheimlichen Melodietrauerflächen und bei „Ausbluten [Pulsschlag der Freiheit]“, mit dem das Album endet, hört man vereinzelte Schläge und eine Stimme, die irgendwann mit der Elektronik zu verschmelzen scheint.
In den hier entfaltenen Szenarien werden Kinder „aus dem Schmerz geboren“, Beziehungen haben etwas Zerstörerisches („dein Feuer ist das Licht/verbrennst du mich“), der Mensch ist „Schande/häßlich Leib“, man zerfällt zu Staub („Asche“) und auch die Seele kann nur „sterbend[...]“ sein, man „Erwach[t] in Angst“ und ist nur noch „im Schatten der Schatten“. Da ist kein Platz für Transzendenz und auch kein Trost.
Die hier angesprochene Krone der Schöpfung erinnert natürlich an Benn, der dem Homo sapiens (?) attestierte „„Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch –: “ zu sein. Einige der Texte auf dem Album lassen dann auch an expressionistische Lyrik denken, (natürlich) nicht an den messianischen von „O Mensch“-Pathos durchtränkten, sondern an den skeptischen, die Dissoziation des Ichs thematisierenden. Bilder wie Musik auf „Asche“ sind (ver-)störend und irritierend und es ist mehr als passend, dass dieses Album im Jahr 2020 veröffentlicht wird. Das Gefieder dieses Phönix ist pech- und vantaschwarz. (MG)
Label: Galakthorrö