CONTROLLED BLEEDING & SPARKLE IN GREY: Perversions of the Aging Savant

Vergangenes Jahr konnte man auf der Facebook-Seite Controlled Bleedings einen Post von Paul Lemos lesen, in dem dieser das Ende der Band verkündete, zu frustriert schien er darüber zu sein, dass das Publikum die vielen musikalischen Ha(c)kenschläge nicht (mehr) mitzumachen schien. Kurz darauf verschwand dieser Post wieder und nun melden sich Controlled Bleeding mit einer Split-CD mit Sparkle In Grey zurück, auf der man den Eindruck hat, mit den hier versammelten Tracks wolle Lemos zeigen, dass er sich um Erwart(ungshalt)ungen und Kohärenz noch immer nicht schert. Weiterlesen

BABY DEE: I Am A Stick

Baby Dee hatte sich in den letzten Jahren – zumindest im Studio – stimmlich etwas zurückgenommen. War ihr letztes Album „Regifted Light“ zum Großteil instrumental, überließ sie auf „State of Grace“, ihrer Zusammenarbeit mit Little Annie, dieser weitgehend das Mikrofon, um schließlich, ganz unter Pseudonym versteckt (was vielleicht ein Grund dafür war, dass das Album kaum medialen Widerhall erfuhr), die Orgel spielte, während Eliot Bates seine Oud zupfte. Weiterlesen

CHARLEMAGNE PALESTINE: Ssingggg Sschlllingg Sshpppingg

Bei einem Künstler wie Charlemagne Palestine besteht immer die Gefahr, dass man sich mehr auf den Überbau als auf das Eigentliche konzentriert, will sagen, dass man ihn auf die Rolle des outsider artists reduziert, auf den skurrilen Mann mit Hut, Cognac und enormer Plüschtier(an)sammlung – von denen einige wie schon bei anderen Veröffentlichungen auch das Cover des unaussprechlich betitelten neuen Albums zieren und das den Eindruck erweckt, hier sei diesen Kinderspielzeugen ein Altar errichtet worden, die Sakralisierung des Profanen also. Weiterlesen

Adventures in atmospheric sound design: Interview mit Joseph Curwen

Das nach einer Figur aus H. P. Lovecrafts Roman The Case of Charles Dexter Ward benannte und in Newcastle upon Tyne beheimatete Einmannprojekt situiert sich selbst im weiten Feld von „Post-Rave Hauntology Rituals and Radiophonic Occult Synth Horror Soundtracks“ (die Genese des Begriffs wird im Interview erläutert), man könnte auch sagen im Spannungsfeld von (ewigen) Drones und melodischen Soundcapes, die inzwischen auch schon mal von Beats durchzogen werden. Dabei sprengen die (meist digitalen) Veröffentlichungen manchmal den Rahmen eines herkömmlichen Tonträgers, etwa dann, wenn Weiterlesen

SHARRON KRAUS: Friends and Enemies, Lovers and Strangers

Sharron Kraus hat in ihrer umfangreichen Diskographie Folk in verschiedensten Ausprägungen gespielt – ob sie als Interpretin ihrer eigenen Stücke „Lieder der Liebe und des Verlusts“ sang oder Traditionals („Songs for the Twins“) interpretierte, selbstgeschriebene („Right Wantonly A-Mumming“) und fremde (wie etwa auf „Winter Songs“ zusammen mit Harriet Earis) die Jahreszeiten thematisierenden Alben aufnahm oder mit Christian Kiefer auf „The Black Dove“ improvisierte, immer konnte man eine Musikerin erleben, die sich musikalischer Traditionen bewusst war – und sie deswegen auch aufbrechen konnte. Weiterlesen

KE/HIL: Zone 0

B. Moloch und W. Herich sind beide seit Jahrzehnten im Bereich atonaler, analoger, oft transgressiver Musik tätig und debütierten als Ke/Hil – eine Wortschöpfung aus den bürgerlichen (Nach-)Namen der beiden – 2010 mit „Hellstation“, auf dem unter dem Motto „Music for the Prekariat“ [sic] die Stadt als desolater Ort des Verfalls (re)präsentiert wurde: Schwarz-weiße Bilder zeigten Unterführungen, die an Gaspar Noés pièce de résistance Irreversible denken ließen, Haltestellen waren außer Betrieb und das Titelstück des Albums war Ke/Hils Interpretation von Monte Cazazzas „Stairway To Hell“ und ließ sich durchaus programmatisch verstehen. Weiterlesen

ANDREW LILES: Cover Girls

Im Vergleich zu Steven Stapleton, den Liles seit Jahren sowohl live als auch im Studio unterstützt, ist letzterer sicher stärker am Song orientiert, an Songs interessiert und hat sich im Verlauf der Jahre an verschiedensten Genres/Musiken abgearbeitet, z.B. Metal. Dabei ist man bei seinen (Re-)Interpetationen vielleicht versucht von Dekonstruktionen zu sprechen, wobei da der semantische Resonanzraum vielleicht zu groß ist. Aber dazu später mehr. Weiterlesen

When the borders become fuzzy: Interview mit Compound Eye

Die beiden Musiker, die sich hinter der Hommage an das Seltsame des Facettenauges verstecken, haben zusammen einen umfangreichen musikalischen Stammbaum: Tres Warren hat mit den Psychic Ills Psychrock eine neue Dimension gegeben und im Kopf der Zuhörenden „Hazed Dreams“ entstehen lassen, Drew McDowall hat mit seiner damaligen Frau Rose Anfang der 80er The Poems gegründet, als Captain Sons and Daughters mit Kara Bohnenstiel akustische und elektronische Instrumente dröhnen lassen und war eine Reihe von Jahren Mitglied von Coil. Als Compound Eye Weiterlesen

PRAIRIE: Like A Pack Of Hounds

Wenn man bedenkt, dass Postrock -wie die Vorsilbe impliziert- (auch) eine Überwindung des als schematisch empfundenen Rock war, ist dessen Halbwertszeit nicht ganz so lang gewesen, führte (natürlich unweigerlich) zu Ermüdungserscheinungen, wie so immer, wenn Genres von der Peripherie ins Zentrum rücken und drängen. Weiterlesen

JOHN CARPENTER: Lost Themes

Sieht man von Bernard Herrmanns – ein Filmkomponist, den John Carpenter in einem Interview einmal als wichtige Inspiration angab – atonalen Violinen für die Duschszene in Psycho ab, so ist die Halloweentitelmelodie im 5/4-Takt vielleicht das bekannteste Stück Musik, das je einen Horrofilm untermalte. Nur wenige Töne genügen, um vor dem geistigen Auge des Zuhörers die Captain Kirk nachempfundene Maske, unter der Michael Myers sein Gesicht verbirgt, erscheinen zu lassen. Ursprünglich mag die Tatsasche, dass der Regisseur seine eigenen Filme scorte, finanziellen Gründen geschuldet gewesen sein („I usually score my films because I’m the fastest and the cheapest.“, bemerkte er einmal lapidar). Dabei lag Carpenters Stärke oftmals in der Reduktion: Weiterlesen

THOMAS KÖNER: La Barca (Complete Edition)

Thomas Köner hat sich allein schon mit seinem Frühwerk einen Platz im Pantheon der Geräuschmusik(er) gesichert, die nun nur digital erhältliche Veröffentlichung „La Barca (Complete Edition)“ wird ein Weiteres dazu beitragen und ist ein wahres Mammutunterfangen: Ursprünglich war „La Barca“ eine Videoinstallation, audiovisuelle Liveperformance wie auch ein Album, das 2009 als CD, 2010 auf Vinyl mit fünf Bonustracks erschien und nun für die digitale Veröffentlichung um weitere fünf, bisher unveröffentlichte Stücke ergänzt wurde. Weiterlesen

ALBATWITCH: If Corporations Are People, Why Don’t They Die?

Man mag manchmal den Eindruck haben, dass Personen, die ein spirituell geprägtes Weltbild haben oder ein Leben führen, in dem Metaphysik keine nur marginale Rolle zukommt, politisch nicht immer besonders scharfsinnig sind. Timothy Renner allerdings, dessen von christlichen und animistischen Ideen geprägte Band Stone Breath im wahrsten Sinne des Wortes die Avantgarde, die Speerspitze des Weird Folk darstellt(e), hatte schon mit seinem mit Brian Magar eingespieltem Albatwitch-Debüt „Only Dead Birds Sing Over the Graves of Fallen Kings“ radikale Kritik an menschlicher Hybris, an naiver Technikgläubigkeit Weiterlesen

ZEITKRATZER: Whitehouse

Als Zeitkratzer vor einigen Jahren erstmals ihre Interpretationen von Whitehousematerial unter dem Titel „Whitehouse Electronics“ veröffentlichten, da konzentrierte man sich auf Stücke aus der Spätphase der Band und verglichen mit früh(er)em Output enthielten diese Stücke in einen etwas größerem Maße konventionelle Strukturen – wenn man die teils vertrackten Rhythmen, die schon teilweise das Nachfolgeprojekt Cut Hands ankündigten, mit solch einem Attribut belegen will (insofern zeugte diese Rezension von ziemlicher Unkenntnis). Weiterlesen

NOCTURNAL POISONING: Doomgrass

Wie wohl kaum ein anderes Genre ist Black Metal in den vergangenen Jahren Gegenstand zahlreicher akademischer Publikationen geworden und hat sich zu etwas entwickelt, das mit dem Präfix „Post“ versehen, seltsame Hybride hervorgebracht hat, die teils naheligende (Noise, etwa Sutekh Hexen oder Gnaw Their Tongues), teils (wenn auch nur auf den ersten Blick) weniger passende Genres (Bluegrass, siehe Panopticon) miteinander verknüpft haben. Satan und Corpsepaint sind schon lange keine unverzichtbaren Elemente mehr, aber inzwischen ist es noch nicht einmal mehr nötig, eine Gitarre einzusetzen (The Botanist). Weiterlesen

CONSUMER ELECTRONICS: Estuary English

Während der selbst so apostrophierte „animal response technician“ William Bennett es inzwischen bis in die Tate Modern geschafft hat, mit Cut Hands gern gesehener Gast auf genreübergreifenden Festivals ist und inzwischen auf hippen Labeln wie Blackest Ever Black veröffentlicht, ist der mit einer Arbeit über Burroughs, Ballard und Pynchon promovierte „dirty word specialist“ Best einen etwas anderen Weg gegangen: Seine Auftritte mit Kassengestell, Schmerbauch und inklusive Nippelreiben sind auf eine Art konfrontativ, die ihresgleichen sucht, denn obwohl es natürlich eine Inszenierung ist, ist Bests Bühnenpersona so irritierend und oft abstoßend,  dass suspension of disbelief jederzeit möglich ist. Weiterlesen

IRM: Closure

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Albums wurde von Bandseite darauf hingewiesen, dass die 2008 erschienene Maxi „Indications Of Nigredo “ und das Album „Order⁴“ als Teile einer Trilogie begriffen werden, die nun mit „Closure“ ihren Abschluss findet -  was sicher auch damit zu tun hat, dass seit erstgenannter 12′ der Bassist Mikael Oretoft das Klangspektrum erweitert und Erik Jarl und Martin Bladh musikalisch unterstützt. Weiterlesen

KRANK / THE GRIMSEL PATH: Verdant Hum

Betrachtet man den Werdegang des gebürtigen Australiers John Murphy, so hat man den Eindruck, dass alle Bands/Projekte, bei denen er musikalisch/konzeptionell federführend ist/war und nicht nur eine helfende Hand, einen gewissen rituellen Charakter besitzen, sei es das nun wieder aktivierte Projekt Krank, die leider nicht mehr aktiven Knifeladder, Last Dominion Lost, deren jüngst veröffentlichtes Album “Towers of Silence” sicher zu den Höhepunkten postindustrieller Musik des Jahres 2014 gehört oder aber The Grimsel Path. Rituell sollte aber natürlich bezogen auf das auf 100 Exemplare limitierte „Verdant Hum“-Tape nicht allzu eng gefasst werden. Weiterlesen

ZEITKRATZER: Lou Reed Metal Machine Music

Es gibt Alben, die solch einen Aura umgibt, dass der eigentliche Gehalt nur noch eine untergeordnete Rolle spielt und Lou Reeds Protoindustrialalbum „Metal Machine Music“ ist da sicher ein gutes Beispiel für. Dabei gehen die (Be-)Wertungen weit auseinander. Auf der Lou Reed-Gedächtnisseite schreibt John Zorn: „Let’s not forget that Lou Reed was the man who made Metal Machine Music.“ Coil nannten damals, als sie ihr vielleicht krachigstes Album „Constant Shallowness Leads to Evil“ veröffentlichten, „Metal Machine Music“ als Referenzpunkt. Weiterlesen

V.A.: Epicurean Escapism 1

Anlässlich des kürzlich in Berlin stattgefundenen dritten „Epicurean Escapism“-Festivals folgt eine Zusammenstellung, die sich als Ergänzung/Überarbeitung der ursprünglichen Tape/DVD-Veröffentlichung, die vor zwei Jahren während des Vorläuferfestivals erstmalig verkauft wurde, versteht.

John Murphy steuert einen Track unter dem Namen seines in den letzten Jahrzehnten nur sehr sporadisch aktiven Projekts Krank bei: Weiterlesen