THE MINISTRY OF WOLVES: Happily Ever After

Für viele ist das Wort „märchenhaft“ ein Attribut des Schönen, obwohl Märchen seit jeher umstritten sind. Der Hang vieler Märchenstoffe zu Gewalt und Grausamkeit war schon immer ein Stein des Anstoßes, ebenso die allegorischen Weltdeutungen, die bewusst den Weg des Vorrationalen gehen und die Fantasie der instrumentellen Vernunft vorziehen. Wenn selbst ein so ausgewiesener Experte wie Richard Dawkins – Spezialist für Religion, Biologie und Sozialethik und angeblich der drittwichtigste Intellektuelle unserer Zeit – ihren pädagogisch fragwürdigen Einfluss moniert, scheinen die Barometer heute eher eine märchenfeidliche Stimmung anzuzeigen. Dem steht entgegen, dass Märchen und märchenhafte Elemente nie aus der Populärkultur verschwunden sind, und dabei kann man an Fantasy ebenso denken wie an die fabelhafte Welt bunter Filme und Telenovelas, am ehesten natürlich an den direkten Bezug auf klassische Märchenstoffe in Filmen wie Terry Gilliams „Brothers Grimm“.

Über eine Neuinterpretation Anne Sextons referiert auch Claudia Bauer mit ihrem Theaterstück „Republik der Wölfe“ auf die Märchen des hessischen Brüderpaares. Anfang des Jahres wurde das Stück erstmals in Dortmund aufgeführt, zeitnah erschien die Musik dazu auf Platte, die Paul Wallfisch, Danielle de Piccio, Alexander Hacke und Mick Harvey unter dem Bandnamen The Ministry of Wolves eingespielt hatten. Derzeit geht das Stück auf Tournee und feiert seine zweite Premiere in der Berliner Volksbühne. Begleitend erscheint eine auf 500 Einheiten limiterte farbige LP mit bislang unveröffentlichten Songs aus dem Stück sowie einigen ins Deutsche übertragenen Albumtracks.

An Song-Standards gemessen wirkt das bislang unveröffentlichte „The 12 Dancing Prinzesses“ nahezu episch, denn anscheinend wurde der komplette Märchentext in coolen Spoken Words rezitiert und musikalisch untermalt. Die Geschichte um die zwölf königlichen Schwestern, die desnachts in der Unterwelt ihre Schuhe zertanzen, um dabei eine mysteriöse Aufgabe zu erfüllen, gewinnt durch das fast Andrew King-artige Drone und das unruhige Beckenrauschen zusätzlich an Spannung. Schon die letzte Veröffentlichung hatte trotz kohärenterem Albumcharakter eine Reihe an Sontypen über die Platte verteilt, die sich alle auch hier wiederfinden – rockige „Murderballads“, die mit Wallfisch am Mikro verwegen daherkommen, Abgefracktes mit Hacke, Besinnliches mit Harvey und nicht zuletzt sphärischen Attic Core mit de Piccio, die zu kindlichen Folkakkorden und geheimnisvollem Glockenspiel ihre Geschichten auf Deutsch ins Mikrophon haucht und ihnen eine zauberhafte Angestaubtheit verleiht.

Der Unterschied liegt wie oft bei Outtake-Sammlungen darin, dass die verschiedenen Songtypen noch unverbundener nebeneinander liegen und ihre charakteristischen Komponenten umso offener aufscheinen lassen. Somit hat diese Sammlung nicht nur ein Bonus zum Album, sondern auch eine Art making-of, das ein paar interessante Einblicke mehr in die Konzeption der Wolfsrepublik bietet.

A.Kaudaht

Label: Mute