Baby Dee hatte sich in den letzten Jahren – zumindest im Studio – stimmlich etwas zurückgenommen. War ihr letztes Album „Regifted Light“ zum Großteil instrumental, überließ sie auf „State of Grace“, ihrer Zusammenarbeit mit Little Annie, dieser weitgehend das Mikrofon, um schließlich, ganz unter Pseudonym versteckt (was vielleicht ein Grund dafür war, dass das Album kaum medialen Widerhall erfuhr), die Orgel spielte, während Eliot Bates seine Oud zupfte.
Letzterer hat das neue Album „I Am a Stick“ gemastered, ein Album, das man (zumindest bedingt) als einen partiellen Rückgriff auf die Frühphase lesen kann: Das getragene „Up Tree River Down“ mit der Akkordeonkoda „Wilhelmus“, die instrumentale Klavierballade „Hymn“ oder „But in My Dream“ erinnern sowohl musikalisch als auch von der Stimmung an die Stücke der ersten Alben. Im Zentrum stehen ganz klar das Klavier und Dees Stimme. Bei anderen Songs hört man die Band (Alex Neilson am Schlagzeug, Joe Carvell am Bass, Victor Hererro -Mann von Josephine Foster und auch als Solokünstler aktiv- an der Gitarre, Colin Stetson am Saxophon sowie Jordan Hunt, Marie Anne Bruccheri, Sophie Broadbent und Laura Moody an Geige, Bratsche und Cello) -etwas- deutlicher. Beim Titelstück streicht Neilson sein Becken, setzt ab und zu einen Perkussionstupfer, auf „Sky of Loving Arms“ hört man vereinzelt die E-Gitarre, die gegen Ende recht verzerrt und dissonant ist, aber auch hier bleibt diese eher im Hintergrund. Überhaupt fällt auf, dass die Band sich zurückhält: Da, wo kurz Streicher auftauchen („Up Tree River Down“), dominieren sie das Klangbild nicht so wie auf Dees kammermusikalischer Neueinspielung ihres Albums „A Book of Songs for Anne Marie“. Das autobiographisch geprägte „Whose Rough Hands“ erinnert dagegen an einige Stücke auf „Safe Inside the Day“. Auf diesem Album, das ihr bis dato vielleicht bekanntestes Werk ist, hatte sie erstmals die getragenen, ernsten Stücke ihrer ersten Veröffentlichungen mit den teils grotesken Vaudevillestücken, die sie seit Jahren im Liveprogramm (von denen die Grizzlys, die die Untermäsche von Mormonen schätzen, leider noch keinen Weg auf einen Tonträger gefunden haben) hatte, kombiniert. „Tokyo“, das die Repetitio als stilistisches Mittel (wie auch schon auf „Regifted Light“ bei „The Pie Song“) ad absurdum führt oder das beschwingte „Bendy Bus“, das man sich auch in irgendeinem Saloon im Westen vorstellen kann und das mit völlig absurden Zeilen wie „A bendy straw is a thing of mystery/because a bendy straw is like a bendy bus/ except instead of being a bendy bus/ It’s a bendy straw“ irritiert, knüpfen daran an. Schließlich endet das Album mit „Road of Eyes that See“, das mit Zeilen beginnt, die unverkennbar nach Baby Dee klingen: „There is a road that we can walk/where sunlit winds teach trees to talk in tongues of love“. Denn wie auch auf früheren Alben durchzieht eine (überhaupt nicht abgegriffene) Naturmetaphorik das Album und es wird erneut deutlich, dass Dee eben abseits allen skurrilen Humors eine begnadete Songschreiberin ist. Dass Künstler wie Marc Almond Dees Stücke interpretiert haben, überrascht überhaupt nicht.
Auf „As Morning Holds a Star“ von „A Book of Songs for Anne Marie “ sang Dee „No more sad songs“. Auf dem neuen Album heißt es „I am a stick and I am happy” und an anderer Stelle: „And in the eyes of every tree/on that road of eyes that see/Determined to remain a child of joy/A child of joy/I am determined to remain a child of joy“.
(M.G.)
Label: Tin Angel Records