DREW MCDOWALL: Unnatural Channel

Erst 2015 hat der ehemalige Coil-Mitstreiter Drew McDowall sein Solodebüt vorgelegt. „Collapse“ war ein Album , über das ich damals schrieb: „ Das ist dystopische Musik jenseits billiger Schockeffekte“. Über sein einige Zeit später veröffentlichtes Tape “Haecceity Deluge” hieß es auf diesen Seiten: „Bisweilen tastet sich der Fluss der Klänge fast schon erratisch voran, scheint auf der Stelle zu treten, doch bei McDowall hat das nichts mit Ereignislosigkeit zu tun, sondern mit Spannung“. Inzwischen ist McDowall nicht mehr aus der Geräuschmusik wegzudenken, arbeitet regelmäßig mit anderen Künstlern zusammen und hat nun mit „Unnatural Channel“ sein zweites Album veröffentlicht.

„Tell Me The Name“, mit dem das Album eröffnet wird, ist ein Stück aus analogem Pulsieren, Melodietexturen, Knarzen, sich langsam entwickelnden rhythmischen Elementen und nur zu erahnenden Stimmfragmenten. Das Stück hat eine fast narrative Qualität. „Habitat“ ist dagegen eine metallische, verhallte Symphonie mit melodischen Momenten, die so klingt, als sei das Stück in den Tiefen der Erde aufgenommen worden. „This Is What It’s Like“ ist dagegen eine reduziertere Nummer aus erratischer Perkussion und der mantraartigen Repetition des Satzes ”This is what it’s like/ sleep-deprived“. Der erste Teil des Titelstücks ist ein hypnotischer Track aus unheimlichem Knarren, Zischen und in der Ferne hallenden Tönen, in die gegen Ende rhythmische Momente einbrechen, die im zweiten Teil fortgesetzt werden und das Stück dominieren. Das ist vielleicht McDowalls Tanzflächenfüller für eine menschenleere urbane Wüste. „Recognition“ klingt dagegen anfangs viel verrauschter. Das beklemmende „Unshielded“ schließlich beendet das Album mit fragmentiertem, fast atemlosen Stimmengewirr, das den Hörer fragen lässt, was der Sprecherin gerade widerfahren mag.

Die in einer Rezension geäußerte Kritik, dass das Album keine voll ausgereiften Songs enthalte und teilweise Jamcharakter zu haben scheine, ist m. E. völlig verfehlt, denn “Unnatural Channel” wird weniger von kompositorischen Schwächen bestimmt als vielmehr von einem Modus Operandi, der betont, dass das Nicht-Abgeschlossene, Ambivalente und Fragmentarische – das Album dauert nicht einmal 40 Minuten– eine adäquatere Form für unsere Zeit ist. Vor knapp 100 Jahren zeigte ein Gedicht, das aus „einem Haufen zerbrochener Bilder“ zu bestehen schien, welche künstlerischen Formen für eine adäquate Zeitdiagnose taugen. (MG)

Label: Dais Records