THROBBING GRISTLE: Journey Through a Body

Nach „The Second Annual Report“, „20 Jazz Funk Greats“ und der Best of „The Taste of TG“ erscheinen nun drei weitere Alben Throbbing Gristles im Rahmen der Wiederveröffentlichungsoffensive von Mute Records: “Heathen Earth”: 1980 vor einem Publikum – das viele versammelte, die die Industrial Culture geprägt hatten -live im Studio aufgenommen. „Mission of Dead Souls“- die Dokumentation des letzten Auftritts der Band in San Francisco 1981, auf der Stücke wie „Thee Process“ und „Looking for the OTO“ schon auf die Themenfelder hinweisen sollten, die Psychic TV über lange Jahre beschäftigen würden. „Journey Through A Body“ versammelt die letzten – vor der Reformierung der Band in den 00er Jahren – 1981 gemachten Studioaufnahmen und erschien ursprünglich auf Walter Ulbricht Schallfolien postum im Jahr 1982.

Zum Kontext: Cosey war – durch Vermittlung Robert Wyatts – angesprochen worden, etwas zum Thema „A journey through the body“ für den italienischen Radiosender RAI aufzunehmen. Daraus entwickelten sich die unter Mitwirkung von allen vier Bandmitgliedern gemachten Aufnahmen. Die in Rom im März 1981 innerhalb von fünf Tagen im RAI-Studio komponierten/improvisierten und eingespielten fünf Stücke fanden (lauf Coseys Autobiografie) weitgehend ohne Mitwirkung der dort beschäftigen Techniker statt: „The studio technicians were a joke – they were stoned or drunk and unhelpful mots of the time.“ Die Frage ist allerdings sowieso, inwiefern die Zusammenarbeit von den sich in Auflösung begriffenen „wreckers of civlization“ mit „normalen“ Technikern sonderlich fruchtbar gewesen wäre.

Das lange „Medicine“ beginnt mit Hochtönen, die an frühe Whitehouse erinnern. Das Fiepen der Elektronik, das Piepen von Krankenhausgeräten, kurz einsetzende Stimmen, Ächzen und Stöhnen; all das illustriert sehr gut, dass (diese )„Medizin“ den Menschen lediglich in all seiner Kreatürlichkeit zeigt. Das Stück klingt wie ein Mashup aus „Hamburger Lady“ und „After Cease to Exist“. „Catholic Sex“ dagegen kombiniert und kollagiert kaputte Beats, Coseys Horn, Beischlafgeräusche und Genesis’ Textrezitation: „I couldn’t help but touch her body“. Kurzzeitig setzt eine sphärische Orgelmelodie ein. „Exotic Functions“ besteht aus Wasserplätschern, einer Spieluhr (?), Klavierpassagen, perkusiven Momenten und Tierstiummen. Vielleicht ist das TGs ultimativer Martin Denny-Tribut. Auf „Violencia“ hört man Frauenstimmen, Störgeräusche und ein dissonantes, hektisches Klavier, das klingt, als habe Charlemagne Palestine im Studio vorbeigeschaut. Das das Album beendende „Oltre la morte“ ist dagegen ein sehr harmonisches (und scheinbar ungebrochenes) Pianostück.

Ob man so weit gehen muss, zu sagen, dass es sich bei „Journey Through A Body“ um TGs „gespenstischstes Album“ handele, wie es im Pressetext heißt, sei dahingestellt, aber die hier versamelten Aufnahmen klingen auch nach all den Jahrzehnten enorm frisch und machen – vielleicht stärker als andere Aufnahmen der Band – deutlich, wie viel Wolf Eyes und andere aus deren Umfeld Peter Christopherson, Genesis Breyer-P.-Orridge, Chris Carter und Cosey Fanni Tutti schulden. Es wäre jetzt interessant zu wissen, ob es eine weitere Veröffentlichungsrunde gibt – „D.o.A.: The Third and Final Report“ fehlt schließlich noch – und die bisher unveröffentlichten Studio- und Liveaufnahmen von X-TG zugänglich gemacht werden. (MG)

Label: Mute