COIL: Constant Shallowness Leads To Evil

Dais Records versuchen seit einigen Jahren mit einer Reihe von Veröffentlichungen etwas Ordnung in das – vorsichtig formuliert – Veröffentlichungschaos Coils, das durch die ungeklärte Rechtesituation nach Balances und Sleazys Tod enstanden ist – eine wahre „chaostrophy“ – zu bringen.

„Constant Shallowness Leads To Evil“, ein etwas holpriger Titel, der aber – auch ohne allzu sehr das Rad des Kulturpessimismus’ drehen zu wollen – heute wohl angesichts hypertropher Flachheit und Verflachung  noch wahrer als vor 20 Jahren ist.  Insofern ist das 2000 erstmalig veröffentlichte Album zumindest konzeptionell-thematisch noch aktuell. Damals hieß es von Bandseite „This new album by Coil deals with the threat of lavishness and responds with noise. It’s trial by musick.“ Balance meinte: „Everything feels really Karaoke now. It’s celebrity versus integrity and individuality“. Als Referenzen listete man „Lou Reed’s Metal Machine Music, Can, LaMonte Young, Flipper, Butthole Surfers, Supermarket Sweep“. “ Thighpualsandra spricht von „an exercise in brutality”.

Ursprünglich im gleichen pinken C-shell case wie das ebenfalls 2000 herausgekommene „Queens Of The Circulating Library“ (das einzige ohne Peter Christopherson entstandene Coilalbum) veröffentlicht, knüpft es z.B. bei dem Opener „Higher Beings Command“ (vielleicht auf Sigmar Polke verweisend) an dessen Dronecharakter an, arbeitet aber noch stärker mit Dissonanzen, mit – wie oben schon angesprochen – brachialeren Tönen. Der zweite Track „I Am The Green Child“ beginnt mit kurzem Synthgefiepe, bevor dann das ganze Stück durchziehende ethnoartige perkussive Elemente hinzukommen, zu denen Balance mit verfremdeter Stimme und mit irrem Gelächter u.a. vorträgt: „We’re swimming in a sea of occidental vomit“. Zeilen wie „Name and shame/Driven insane/By this game of shame“ ließen sich entweder anachronistisch oder visionär als Bescheibung zeitgenössischer Verirrungen lesen. Die nächsten Stücke „Beige“, „Lowest Common Abominator“ und „Free Base Chakra“ gehen nahtlos ineinander über und bereiten auf den Abschluss, das fast halbstündige „Tunnel Of Goats“ vor: eine wahre Kakophonie aus Fiepen, Synthgeblubber und zähflüssigen Drones. Weitgehend instrumental, hört man Balance auf dem urspünglich auf CD in 18 Sektionen unterteilten Track kurzzeitig recht melodisch in einem Stream of Consciousness singen: „I will step across an ocean, a lagoon of fish/Fly with suicidal birds/I’m so tired of the seasons and the breeze and the river/Wasps pollinating sores/In their Altered States of American Death/Want to go under… “ Die letzte Hälfte des Albums  formte die Basis für das Stück „Constant Shallowness Leads To Evil“, das auf der gleichnamigen Tour gespielt wurde und u.a. auf „Live Two“ auf Tonträger verewigt ist. Dieses Album, das exzessiv Gebrauch von Stereoeffekten macht und seinen Ausgang bei einem Patch von Thighpaulsandras modularem Serge Sytnthesizer nahm, klingt gut 20 Jahre nach Erscheinen auch musikalisch noch erstaunlich frisch.

“Constant Shallowness Leads To Evil” erschien zu einem Zeitpunkt, als Coil nach langen Jahren des Umherirrens, des Auslotens und Experimentierens, mit den beiden Teilen von „Musick To Play In The Dark“ ihr stärkstes Studiomaterial seit Jahren herausbrachten und sich als Liveband neu fanden wie erfanden, was letztlich aber vor dem Hintergrund von Balances Alkoholismus vielleicht von Anfang an nicht unproblematisch war. Am Ende von „Tunnel Of Goats“ heißt es: „There is no wrong, so we go on“. Wir wissen leider, dass sich das nicht bewahrheiten sollte. (MG)

Label: Dais Records