SWANS: The Beggar

Die Wucht, mit der die Swans 2010 mit “My Father Will Guide Me up a Rope to the Sky” nach ihrer selbst so betitetelten „reconstitution“ wiederkehrten, beeindruckte und wer die darauf folgenden (Doppel-)Alben „The Seer“, „To Be Kind“ und  “The Glowing Man“ und die Konzerte  erlebte, die abseits der Lautstärke in ihrer schieren physischen Präsenz, Exzessivität und Überschreitung Band wie  Zuschauer an ihre Grenzen führten und dabei (auch) deutlich machten, was Musik noch immer kann, dem war klar, dass ein Ende irgendwann da sein würde und wenn auch nur aufgrund des fortschreitenden Alters der Beteiligten.

Als Gira dann die Beendigung der Swans als feste Band verkündete, um sie als lose(re)s Kollektiv weiterzuführen, zeigte „Leaving Meaning“  dann auch ein Zurückfahren des Eruptiven zu einem  etwas kontemplativeren Sound, u.a. mit fantastischen Gastbeiträgen von den Necks oder Baby Dee.

Der Nachfolger „The Beggar“, dessen Aufnahmen, wie in den letzten Jahren üblich geworden, Gira mit Vorabveröffentlichungen akustischer (Demo-)Aufnahmen der Stücke finanzierte, knüpft zum Teil daran an, erweitert das Klangbild aber auch.

„The Parasite“ beginnt mit ein paar Tönen der akustischen Gitarre, dazu Giras getragener Gesang: „Here I am, just empty skin“, hört man da und dann fordert er fast dämonisch flüsternd: „Come to me. Feed on me“ und leitet damit den zweiten Teil des Songs ein, der den Gesang mit Drones kombiniert und fast schon uplifting klingt. Auf „Paradise Is Mine“ wird mit repetetivem Bass und Schlagzeug eine dichte Soundwand kreiiert. Gira singt: „Learn to speak. Learn to fuck“ und stellt dann die zentralen Fragen: „Is there really a mind? “ […] Am I ready to die?“ „Los Angeles: City of Death“ hätte mit seinem druckvollen Schlagzeug und leicht hymnischen Charakter vielleicht auch gut auf „The Great Annihilator“ gepasst. Gira entwirft hier eine apokalyptische Vision: „Here I am…Sucking colors from the root, of the syphilis fruit, flattening this land, scattering the sand, burning every tree, burning every book, pulverizing the ruins of the city that he shook“. „Michael is done“ legt durch Titelgebung eine autobiographische Lesart nah: „When Michael is gone, some other will come“: Die Thematisierung des Weiterreichens des Stabes oder die ewige Wiederkehr. Stücke wie „Unforming“, „No More Of This“ oder „Ebbing“ erinnern an Giras zurückhaltendere von Americana geprägte Arbeiten als Angels of Light. Das Titelstück ist eine dämonische Intonation: „I am the slaughter at your alter“ [sic]. Zwischendurch hört man Schreien und Gurgeln und wuchtiges Schlagzeug, Gitarre und Bass. „Why Can’t I have What I Want Any Time That I Want?“ beendet die erste CD mit Glocken und Drones. Dass Gira laut eigener Aussage hier versuchte, wie Chris Isaak in „Wicked Game“ zu singen, dabei aber scheiterte (vgl. auch den signature tune „Failure“ auf “White Light From The Mouth Of Infinity”), ist durchaus amüsant. Die zweite CD wird fast komplett eingenommen von „The Beggar Lover (Three)“, einem 43-minütigen Monster (das auf der LP-Version nur als Download verfügbar ist), auf dem Elemente von „The Glowing Man“, „Leaving Meaning“ und „The Beggar” collagiert werden. Das letzte Stück „Memorious“ ist ein druckvoller, rabiater Song mit Sprechgesang und unheimlichen Schreien – ein letztes Aufbäumen vor dem Ende.

Ob man daraus „Todessehnsüchte eines Toxikers“ erkennt, wie kürzlich im Spiegel zu lesen war, sei dahingesellt. Giras Thematisierung von menschlichen Grenzerfahrungen, von Leiden, Vergeblichkeit, Schmerz und dem Batailleschen Heterogenen scheint für ihn offenbar einen kathartischen Charakter zu haben, wie er noch jüngst in einem Interview bemerkte: “I think a lot about abjection, and shame, and humiliation, and I’ve come to the conclusion that they are ultimately healthy states of mind, in that they act as a scalpel on one’s illusory sense of self.” Das ist vielleicht auch nicht die schlechteste Beschreibung dieses Albums. (MG)

Label: Young God Records / Mute Records