ADAM GEOFFREY COLE / HENRY PARKER: Live at Union Chapel

Im vergangenen Frühjahr pilgerten mehrere hundert Fans aus ganz Europa und vielleicht auch darüber hinaus nach London, um in der dortigen Union Chapel einem der nicht so häufig stattfinden Channelings von Current 93 beizuwohnen. Diese spielen seit einigen Jahren in einer ihrer besten und stabilsten Besetzungen und haben seit längerem wieder so etwas wie einen erkennbaren Trademarksound gefunden, was man auf den beiden Alben “The Light is Leaving us All” und “If a City is Set Upon a Hill” deutlich hören kann. Darüber scheint das auch unter den Fans eine gewisse Einigkeit zu geben, was nicht immer der Fall war. Dass auf den aktuellen Konzerten nur wenig ältere Songs gespielt werden, stößt dennoch auf ein gewisses Bedauern.

Darum soll es hier aber nicht gehen, denn an dem Abend waren außerdem zwei interessante Acts in Vorprogramm zu sehen. Das war zum einen die sich mit Current 93 überschneidende Band Téléplasmiste mit ihrer ganz eigenen Version von etwas, das gerne als kosmische Musik bezeichnet wird. Zum anderen die beiden Folksänger und -Musiker Adam Geoffrey Cole und Henry Parker, die aus Australien und Yorkshire stammend kaum weiter voneinander entfernt leben könnten und somit an diesem Abend erstmals überhaupt zusammen auf einer Bühne standen. Bei der knapp halbstündigen Show ging es aber auch ausschließlich um das Werk Coles, in dessen Sound und Stimmung sich Parker mit seinem filigranen Gitarrenspiel wunderbar einzufühlen verstand.

Die sechs aufgeführten Songs stammen aus unterschiedlichen Phasen von Coles früherem (und wohl bald wiederbelebten?) Projekt Trappist Afterland sowie seiem jüngeren Solowerk und bieten neben der Schönheit der Songs einen guten Einblick in den mystisch angehauchten und oft ebenso persönlich gefärbten Dark Folk, der in jedem Fall auch das Interesse der Current 93-Fans wecken sollte. Der erste Song war eines von mehreren Liedern, die Cole für seinen verstorbenen Hund geschrieben hatte, eine berührende Hommage an den Weggefährten voll schöner Erinnerungen, die hier mit energischem Strumming und wabernden Drones im Hintergrund vorgebracht wurde. Auch das folgende “Womb” von Coles “Fallowing”-Album ist ein von gelöstem Gitarrenpicking begleiteter Nachruf, diesmal für einen Jugendfreund, zugleich feiert das Stück auch den Zauber des Werdens. Mit “Bell Tongues” vom gleichen Longplayer gab es danach einen der feierlichsten Songs des Musikers zu hören, ein schwermütiger und zugleich eine leichte Euphorie transportierender Ohrwurm, in dem die Vermählung von Leben und Tod von hypnotisierenden Glocken besungen wird.

Schon in der ersten Hälfte des Konzerts wurde deutlich, wie sehr sich Publikum und Musiker verstanden, auf begeisterten Applaus folgten nette grummelige Ansagen, die manchmal eine sympathische Schüchternheit offenbarten. Cole berichtete auch von seinem Umzug von Melbourne nach Adelaide – eine, wie er sagt, eher autodestruktive Entscheidung, die aber durch das geheime Idyll, das er im folgenden “Blackwood” besingt, mehr als kompensiert wird. Zur zusammen mit Anthony Cornish aufgenommenen Studioversion auf “The Cellophane Sea” schrieb ich, “Blackwood” stehe für einen unaufgeregten Songtyp, in welchem die Musik perfekt zum Text passt, in dem vielleicht “so etwas wie eine perfekte Allegorie eines guten Lebens dargestellt wird, und bei vielen anderen Songwritern wäre die pastorale Beschreibung von sanften Bächen, wilden Beeren und Kirchenglocken, die vom Hügel herüberschalten, sicher um einiges kitschiger ausgefallen”.

Die beiden abschließenden Stücke “Where the Willows Weep” und “Like a Root” beendeten das Konzert wie eine Botschaft aus einer weit entrückten Dimension, in der dürres Wurzelwerk zu Oudklängen symbolisch an die Geschichte des biblischen Propheten Jesaja erinnert, dem im Kosmos von Coles Musik eine Schlüsselrolle zukommt. Damit endete ein kurzer aber ungleich intensiver Auftritt, bei dem zuletzt auch das Zusammenspiel von Cole und Parker gewürdigt werden muss.

Die Show wurde wohl eher zufällig von einem Besucher aufgenommen und anschließend authorisiert auf einem limitierten Tape herausgebracht. Dieses – oder zumindest dessen erste Auflage – ist mittlerweile vergriffen, aber digital ist die Aufnahme noch zu haben. (U.S.)

Label: Reverb Worship