PHARMAKON: Devour

In den letzten Jahren sind vermehrt Künstlerinnen in den Fokus gerückt, die sich auf verschiedenste Weise des Noise als Ausdrucksmittel bedienen: ob in einer originellen Mischung mit Hip Hop und Afrofuturismus wie bei Moor Mother, ob als (gebrochen) sakrale Musik – die sich gleichermaßen aus Metal und Industrial speist – wie bei Lingua Ignota oder mit Anlehnung an Soundtracks wie bei Puce Mary.

Auch Margaret Chardiet hat als Pharmakon auf bisher drei Alben, gezeigt, dass sie es beherrscht, eine brachiale, atonale Musik zu spielen, bei der oftmals der Körper in all seiner Verletzlichkeit im Fokus steht – etwas, das sich im Artwork der jeweiligen Veröffentlichungen widerspiegelt(e). Auf diesen Seiten wurde Chardiet in den letzten Jahren attestiert, ihre Musik sei „variantenreich“, durchzogen von „regelrecht entmenschlichten Schreien“ und sie spiele „durchaus unangenehme Musik”.

Im Gegensatz zu den Vorgängeralben ist „Devour“ das erste Album, das ( mit Hilfe von Ben Greenberg von Uniform) live im Studio aufgenommen wurde. Laut Info wurde jede der beiden Vinylseiten in je einem durchgehenden Take aufgenommen, auch um zu versuchen, die Wucht von Auftritten zu simulieren. Auf dem ersten Stück „Homeostasis“ sind die Vocals extrem brutal und verzerrt, so dass sich – wie zum Teil auch schon auf den Vorgängeralben – eindeutige geschlechtliche Zuordnungen nicht mehr machen lassen. Auf „Spit It Out“ setzen nach zwei Minuten brutale Vocals ein, die männlichen Kollegen an Derangiertheit und Brachialität in nichts nachstehen und sich am Ende in Stammeln, Brüllen, Echolalie auflösen. Dazu ertönen fieses Fiepen und analoger Noise. Die auf „Self-Regulating System“ zu findenden Noiseschleifen, lassen so etwas wie Rhythmus erahnen und wie am Ende das Brüllen mit Hochtönen fast verschmilzt, ist schon beeindruckend. „Deprivation“ fängt schleppend an und lässt an besonders rabiate Analogexzesse von Bands wie Genocide Organ denken. „Pristine Panic/Cheek By Jowl“ beginnt mit ähnlich schleppenden Analogspuren, spoken words setzen ein, bevor der aus zwei Stücken bestehende Track wieder rabiater wird.

“Devour” hat wie alle anderen Pharmakonalben einen konzeptionellen Überbau. Hier geht es um das Selbstverschlingen als Allegorie auf die (selbst-)zerstörerische Natur des Menschen. Von Chardiet wird aber nicht verstanden als Hagiographie der Bestie Mensch und als Zelebrierung der vitalen und urwüchsigen und scheinbar naturgegeben Kräfte (wie bei all den Vulgärsozialdarwinisten, die sich in manchen Befreichen extremer Musiken finden), sondern als Reaktion auf eine Gesellschaft, die zunehmend gewalttätiger und gieriger wird. Konsequenterwiese widmet sie das Album dann auch „all who were lost to their own demise, all who have been institutionalized; whether in prison, psychiatric facilities, or drug rehabilitation. It is for all those ostracized by and isolated from a totality which chews them up alive in a self-cannibalizing caste system.“ (MG)

Label: Sacred Bones